12. August 1968: Einzelhandel im Wandel

12.8.2018, 08:23 Uhr
12. August 1968: Einzelhandel im Wandel

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Besonders scharf sind diese Wettbewerbsauseinandersetzungen auf dem Gebiet des Lebensmitteleinzelhandels, nicht zuletzt deshalb, weil hier die Umsätze – im Gegensatz zu anderen Wachstumsbereichen, die in die sogenannte „Freizeitsphäre“ fallen – nur noch sehr bescheiden ansteigen. Von den 142 Mrd. DM Einzelhandelsumsatz entfielen im letzten Jahr 43 Mrd. oder rund 30 v. H. auf den Lebensmittelhandel. Dieser Prozentsatz wird mit wachsendem Masseneinkommen weiter fallen. In den USA ist er bereits auf 18 v. H. abgesunken.

Um so mehr fragen sich die selbständigen Lebensmitteleinzelhändler, wie lange sie bei dieser Entwicklung noch bestehen können und ob sie von den „Giganten“ erdrückt werden. Noch ist der Umsatzanteil dieser Großen nicht allzu hoch. Auf die Verbrauchermärkte entfiel im letzten Jahr ein Umsatzanteil zwischen 2 und 3 v. H., auf die Lebensmittelabteilungen der Warenhäuser etwa 5 v. H., auf den Konsum 9,3 v. H. und auf die Filialbetriebe 14,7 Prozent. Zwei andere Zahlen geben aber zu denken und machen gleichzeitig Hoffnung: auf die freiwilligen Gruppen des Lebensmitteleinzelhandels (also die Handelsketten) entfielen 39 v. H. und auf die Genossenschaften 27 v. H. des Umsatzes. Dazu einer der führenden „Kettenmänner“ Robert Loch, Vorsitzender der Spar-Handelsvereinigung Nordbayern: „Der Einzelhändler ist so lange nicht in Gefahr, wie er sich seiner Schwäche als einzelner bewußt ist und den Weg zur richtigen Kooperation findet.“

Leider, so sagt R. Loch, sei das statische Denken aber noch bei vielen tief eingewurzelt.

Sie betrachten die Existenz des Einzelhändlers herkömmlicher Prägung als schlechthin gottgewollt.

12. August 1968: Einzelhandel im Wandel

© Kammler

Eine Zahlengegenüberstellung beweist die Gefährlichkeit dieses Denkens: auf die ungebundenen Lebensmitteleinzelhändler entfallen 17 v. H. aller Verkaufsstellen, aber nur 5 v. H. des Umsatzes. Und sie erwirtschaften Gewinne, die oft nicht einmal ein Familieneinkommen von 1500 DM erbringen. Dagegen: die freiwilligen Gruppen vereinigten 42 v. H. der Verkaufsstellen und 39 v. H. des Gesamtumsatzes auf sich, die Genossenschaften 33 v. H. der Verkaufsstellen und 27 v. H. des Gesamtumsatzes des Lebensmitteleinzelhandels.

Die Tendenz ist nicht zu übersehen: immer größere Umsätze entfallen auf immer weniger Verkaufsstellen. Bezeichnend für diese Entwicklung sind die Zukunftsplanungen der Konsumgenossenschaften: die Führung wird gestrafft, es soll bald keine Zentralbetriebe unter 100 Mill. Umsatz mehr geben und keine Läden unter 250 qm, in Verbrauchermärkten will man sich verstärkt engagieren. Die Filialbetriebe haben von Natur aus gute Chancen, weil sie durchweg – im Vergleich zum selbständigen Einzelhandel – größere Läden und eine straffere Führung haben. Die Umsätze pro Filiale liegen meist in der Nähe von 1 Mill. DM. Auch die Genossenschaften machen zur Zeit eine deutliche Wandlung durch. Auch hier besteht die Tendenz zu größeren Einheiten und strafferer Führung, und auch hier sind die selbstgestellten Aufgaben wesentlich größer geworden als der ursprüngliche Gründungszweck, nämlich durch gemeinsamen Einkauf günstigere Konditionen zu erhalten.

Insofern ähneln sie immer mehr den Handelsketten – jener Gruppierung, bei der sich selbständige Einzelhändler mit einem selbständigen Großhändler zusammentun, ihren Einkauf auf ihn konzentrieren, gemeinsam werben und gemeinsam über zukünftige Planungen reden. Die ursprüngliche reine Großhandelsfunktion ist nur noch ein Teil der jetzigen Arbeit der Zentralbetriebe. Unternehmensberatung und Entlastung der Einzelhändler von buchhalterischen Aufgaben nehmen immer größeren Umfang an.

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