12. Januar 1966: Verstecktes Gemälde

12.1.2016, 07:00 Uhr
12. Januar 1966: Verstecktes Gemälde

© Gerardi/NN

Jetzt wurde es in die Obhut des 25jährigen Restaurators, Eike Öllermann, gegeben, der als gebürtiger Berliner seit anderthalb Jahren seinen Wohnsitz in Nürnberg aufgeschlagen und seitdem nicht unter Beschäftigungslosigkeit gelitten hat, weil es im weiten Umkreis der alten Freien Reichsstadt noch viele mittelalterliche Werke zu restaurieren gibt.

Schon bei den ersten Proben zeigte sich, daß darunter ein wertvolles spätgotisches Gemälde mit der Anbetung der Heiligen Drei Könige verborgen ist, das aus dem Jahre 1479 stammt und das zu den besten Nürnberger Arbeiten des ausgehenden 15. Jahrhunderts gerechnet werden kann.

Die Vermutung lag nahe, daß die Gedächtnistafel für die Nürnberger Patrizierfamilie der Holzschuher später überschmiert worden sei. Als die romanische Basilika von St. Egidien im Jahre 1696 ein Raub der Flammen wurde, blieb das Gotteshaus lang als Ruine stehen, bis es endlich im Jahre 1718 wieder eingeweiht werden konnte. Der Geschmack des Barock schätzte die gotischen Ausdrucksformen nicht sonderlich; vielleicht erschien auch das alte Bild nicht mehr ansehnlich genug für die neu ausgeschmückte Kirche. So machte sich ein unbekannter Maler daran, die alten Tafeln zeitgemäß herzurichten.

Schon im Jahre 1952 hatte Hauptkonservator Dr. Heberlein unter einer anderen Gedächtnistafel ein altes Gemälde aus dem Umkreis des Hans Pleydenwurff mit der Darstellung der Kreuzigung gefunden, das jetzt den Altar der Tetzelkapelle, einer der drei Nebenkapellen von St. Egidien, ziert. Doch sind die ursprünglichen Farben dieser Tafel wesentlich schlechter erhalten als bei der Neuentdeckung. Öllermann hat erst einige Quadrate zur Probe freigelegt. Die Untersuchungen ergaben aber bisher, daß die Farben ihre erstaunlich intensive Leuchtkraft bis heute bewahrt haben. „Es ist für einen Restaurator immer ein großes Risiko, Übermalungen zu entfernen, weil er nicht im voraus wissen kann, was darunter verborgen ist“, äußerte sich der junge Öllermann über seine Arbeit.

In seinem Schrank stehen in einer langen Reihe Fläschchen mit verschiedenen Essenzen; und vorsichtig trägt er zunächst in einer unwichtigen Ecke des Bildes etwas Flüssigkeit auf, um zu sehen, ob sich die barocken Farben dadurch auflösen, ohne den gotischen Untergrund anzugreifen. Was erst einmal entfernt worden ist, läßt sich nicht wiederherstellen. Noch einige Wochen wird es dauern, bis das ganze Gemälde von 1479 freigelegt ist. Dann wird es einen Ehrenplatz in St. Egidien oder in einer der Nebenkapellen bekommen.

Verwandte Themen


Keine Kommentare