12. September 1965: Das "Regierungsviertel" steht

12.9.2015, 07:00 Uhr
12. September 1965: Das

© Gerardi

In ihm sind die Behörden des Staates und des Landkreises vereinigt, so daß der Bevölkerung zeitraubende Wege zu verschiedenen Stellen der Stadt erspart bleiben. Der Freistaat Bayern hat für die großzügige, aber keineswegs verschwenderische Anlage 8,2 Millionen DM aufgewendet.

Abschied von Spitzweg-Klausen

Die nagelneue Fahne des Landkreises blähte sich stolz im Wind, als gestern früh die Ehrengäste vorfuhren, um mit dem Landrat und seinen Mitarbeitern die Rückkehr von Altdorf nach Nürnberg festlich zu begehen. Abgeordnete des Landes und des Bundes, zwei Staatssekretäre, der Regierungspräsident, die Bürgermeister der Städte Nürnberg und Fürth konnten sich mit ihren Kollegen aus 35 Gemeinden des Kreises Nürnberg davon überzeugen, daß die Beamten einen Sprung von den Spitzweg-Klausen im alten Schloß zu modernen Glaskästen hinter sich gebracht haben. Das Landratsamt hat obendrein 36.000 DM für neuzeitliche Möbel ausgegeben, „denn wir konnten unser altes Zeug doch nicht in dieses schöne Haus mitnehmen“, meinte Emil Freiherr von Stromer.

Dennoch fällt ein Wermutstropfen in den Freudenbecher, an dem gestern häufig und gern genippt wurde. „Der viergeschossige quadratische Bau entspricht ganz unseren Erwartungen, er ist jedoch nicht groß genug“, sagte Landrat von Stromer unverhohlen zu der Gästeschar. Seine Behörden müssen sich nämlich das Gebäude mit dem Staatlichen Gesundheitsamt Nürnberg teilen, das ebenso wie das Landratsamt selbst im Oktober 1944 in der Zeltnerstraße ausgebombt worden ist und eine unangenehme Wanderschaft über drei bis vier Stationen auf sich nehmen mußte, ehe es den Neubau beziehen konnte. Obermedizinalrat Dr. Wilhelm Bingold, der Amtsarzt des Landkreises, hat nun mit seinem Stab in diesem „Geschenk der Staatsregierung“ endlich eine Heimstatt gefunden, so daß ihm keiner zu sagen wagte, er solle wieder ausziehen und Platz machen.

„Wir freuen uns . . .“

Das Landratsamt aber mußte einige Abteilungen in Altdorf zurücklassen, wo es 20 Jahre lang nicht evakuiert gewesen ist, und hat es nicht ganz leicht, mit ihnen Fühlung zu halten. Vor allem der telephonische Kontakt bereitet einige Sorgen, denn Altdorf gehört zum Fernmeldenetz von Regensburg. Es ist daher schon ernsthaft erwogen worden, eine Freileitung von Nürnberg nach Altdorf legen zu lassen, damit die Telephonrechnungen des Landratsamtes nicht in astronomische Höhen steigen.

Trotz solcher mehr oder minder gewichtiger Widerwärtigkeiten erklärte aber der Landrat: „Wir freuen uns, daß wir wieder in unsere Heimatstadt Nürnberg zurückkehren durften.“ Der Neubau präsentiert sich in seiner Fassade mit mattgrauer Sichtbeton-Verkleidung, dunkelblauen Holzfenstern, glänzenden Leichtmetall-Blenden für den Sonnenschutz und Naturholz-Türen freundlich-streng. Sein Inneres wird von sattgrünen Gangwänden, weißen Blendrahmen-Türen und einem Fußbodenbelag aus grauem Jura-Kalkstein geprägt. Die Büroräume, die an der Innenwand bis an die Decke über eingebaute Akten- und Kleiderschränke verfügen, wurden mit dunkelgrauem Linoleum ausgelegt. Der Innenhof mit einem modernen Brunnen – er stellt eine männliche Figur, für viele aber ein Rätsel dar – ist eine besondere Zierde des Hauses.

Verwandte Themen


Keine Kommentare