13. Januar 1967: Oase der Ruhe inmitten der Stadt

13.1.2017, 09:08 Uhr
Ein Blickfang an der Rothenburger Straße: die neue Zweigstelle der Stadtsparkasse – ein Gebäude mit Pfiff – springt als "Kopf" des Zentrums bis zur stark befahrenen Verkehrsader vor.

© Hans Kammler Ein Blickfang an der Rothenburger Straße: die neue Zweigstelle der Stadtsparkasse – ein Gebäude mit Pfiff – springt als "Kopf" des Zentrums bis zur stark befahrenen Verkehrsader vor.

"Ein freudiger Tag. Wir haben es geschafft!", jauchzte gestern WBG-Direktor Diplom-Volkswirt Joseph Haas. Er meinte die Vollendung der Parkwohnanlage West, die mit der offiziellen Übergabe des Ladenzentrums den Schlußstein bekommen hat. Der Grundstein für das Viertel zwischen Rothenburger, Von-der-Thann- und Witschelstraße, das der Hamburger Architekt Professor Dr.-Ing. Hans-Bernhard Reichow entworfen hat, war dagegen schon vor 30 Jahren gelegt worden. Damals hatte die Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Nürnberg das Gelände gekauft, auf dem 1961 mit den Bauarbeiten begonnen wurde. Seither sind 1185 Wohnungen entstanden, modern ausgestattet und – erstmals im sozialen Wohnungsbau – mit Wärme aus dem Heizwerk gespeist. Obendrein schuf Professor Dr. Reichow nur rund 2,5 Kilometer von der Innenstadt entfernt eine Oase der Ruhe, deren Modell auf internationalen Ausstellungen zwischen Moskau und Neapel viel bewundert worden ist. In der Kassenhalle der neuen Zweigstelle der Stadtsparkasse, die als Vorposten des Ladenzentrums ihre Nase kühn der Rothenburger Straße entgegenstreckt, erläutert der Planer, wie er Baukörper und Verkehrsanschluß den Forderungen lebendigen Daseins – die Luft rein, den Lärm abseits zu halten und mit dem Auto fertig zu werden – angepaßt hat.

Ein sicheres Wegenetz

Seinen Überlegungen entsprang der vier Meter hohe Lärmschutzwall und der 40 Meter breite Grüngürtel entlang der verkehrsreichen Rothenburger Straße, hinter denen sich die in der Parkwohnanlage lebenden Nürnberger verschanzen; die Garagen bilden Höfe, in denen der Lärm "eingeigelt" wird, die Kinderspielplätze liegen abseits der Hauptwohnseiten, versenkt im Gelände und umschlossen von bepflanzten Wällen, die das Geschrei der fröhlichen Kleinen dämpfen.

So präsentiert sich die Parkwohnanlage West vom Dach eines Punkthauses. Dabei wird der legere und harmonisch Schwung deutlich, den der Architekt, Professor Dr.-Ing. Hans-Bernhard Reichow, dem neuen Viertel mitgegeben hat. Das moderne Ladenzentrum liegt günstig zwischen der Straßenbahn-Haltestelle un

So präsentiert sich die Parkwohnanlage West vom Dach eines Punkthauses. Dabei wird der legere und harmonisch Schwung deutlich, den der Architekt, Professor Dr.-Ing. Hans-Bernhard Reichow, dem neuen Viertel mitgegeben hat. Das moderne Ladenzentrum liegt günstig zwischen der Straßenbahn-Haltestelle un © Hans Kammler

Professor Dr. Reichow wies in dem rund 13,6 Hektar großen Baugebiet den Fußgängern ihr eigenes Reich, ein sicheres Wegenetz. Er gab – wie bei seiner Sennestadt – den Straßen jene Form, die eine zügige Fahrt ohne Schalterei erlaubt. Große Wendeschleifen können ohne lärmendes Zurückstoßen benutzt werden. Im Freien wie in den Häusern, bei denen ebenfalls auf gute Schallisolierung großer Wert gelegt wurde, begegnet der Zuschauer auf Schritt und Tritt dem Bemühen, jeglichen Krawall zu verbannen.

Legerer und harmonischer Schwung

Außerdem imponiert an dem Stück modernen Nürnberg der legere und harmonische Schwung, der nicht nur die Wohnhäuser, sondern auch das neue Ladenzentrum auszeichnet, das – für Güter des täglichen bis mittelfristigen Bedarfs – just an der Stelle errichtet wurde, an der die Fußwege zur Straßenbahn-Haltestelle an der Rothenburger Straße zusammenlaufen. "Wir wollten verhindern, daß das Zentrum an Durchblutungsstörungen leidet", erläuterte Dr. Hans-Bernhard Reichow die Standortwahl, während Joseph Haas dem Flecken geradezu magische Anziehungskraft zuschrieb: "Der Kunde wird angelockt, sich die Haare schneiden zu lassen!"

Das "Herz" der Parkwohnanlage West wurde auf 5000 Quadratmetern untergebracht. Im ersten Bauabschnitt entstanden ein Lebensmittel-Selbstbedienungsladen sowie Räume und Werkstätten für die Hausverwaltung. Zum zweiten Bauabschnitt gehörten eine Konditorei mit einem Tagescafé, ein Damen- und Herrenfriseur, eine Schuhreparatur-Werkstätte, ein Schreibwaren- und ein Textilgeschäft, eine Zahnarzt-Praxis und eine Chemische Reinigung. Beide Abschnitte bilden einen Innenhof, der ringsum von Laubengängen umgeben ist. Den Kopf zur Rothenburger Straße zu bildet die Zweigstelle der Stadtsparkasse – sie ist, trotz der Nummer 32, die 35. im Stadtgebiet – mit einem sachlich und zweckmäßig eingerichteten Schalterraum, dessen Stirnwand von einer die vier Elemente darstellenden Malerei des Nürnberger Künstlers Fritz Heidingsfeld geschmückt wird.

Im Vorraum wurde eine Briefabholanlage mit 200 Fächern untergebracht, ein kleinerer Raum dient für Besprechungen zwischen dem Zweigstellenleiter und seinen Kunden. Selbstverständlich besitzt die Filiale auch einen Nachttresor. Der Bevölkerungszuwachs im Gebiet um die Rothenburger Straße habe den Neubau notwendig gemacht, erklärte Direktor Max Weberpals, der darauf hinwies, daß die Stadtsparkasse damit einem gesetzlichen Auftrag gerecht werde: "Wir sind verpflichtet, geeignete Einrichtungen zur Verfügung zu stellen, damit Ersparnisse gewinnbringend angelegt werden können."

Sprach Weberpals von der Bedeutung kleiner und kleinster Sparbeträge, so waren vorher von Joseph Haas nur gewaltige Summen genannt worden: 50,3 Millionen DM hat die Parkwohnanlage gekostet, weitere 2,6 Millionen DM sind für den Bau des Ladenzentrums ausgegeben worden. Entstanden ist dafür eine Wohnanlage mit besonderem Pfiff, die mit ihren neungeschossigen Punkthäusern die moderne Baugesinnung Nürnbergs ausdrückt und zugleich einen städtebaulichen Zusammenhang zwischen dem Hochhaus am Plärrer und der Alten Veste herstellt.

Bildunterschriften: So präsentiert sich die Parkwohnanlage West vom Dach eines Punkthauses. Dabei wird der legere und harmonisch Schwung deutlich, den der Architekt, Professor Dr.-Ing. Hans-Bernhard Reichow, dem neuen Viertel mitgegeben hat.

Ein Blickfang an der Rothenburger Straße: die neue Zweigstelle der Stadtsparkasse – ein Gebäude mit Pfiff – springt als „Kopf“ des Zentrums bis zur stark befahrenen Verkehrsader vor.

Das moderne Ladenzentrum liegt günstig zwischen der Straßenbahn-Haltestelle und den Wohnhäusern. Die niedrigen Bauten bilden einen Innenhof, der von Laubengängen umgeben wird.

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