13. März 1966: Wohin mit dem alten Plunder?

13.3.2016, 07:00 Uhr
13. März 1966: Wohin mit dem alten Plunder?

© Eißner

Dabei liegt der einzige öffentliche Schuttplatz, den Nürnberg zu bieten hat, in Maiach-Hinterhof, aber nur die wenigsten „braven Bürger“ finden ihn. Er ist lediglich über die Saarbrückener Straße auf noch dazu offiziell gesperrter Zufahrt zu erreichen.

Eine weiße Scheibe mit rotem Ring und darunter die Aufschrift „ausgenommen Forst- und Müllfahrzeuge“ läßt den Normalverbraucher – falls er die nicht markierte Strecke zum Schuttplatz überhaupt gefunden hat – stutzen: er hat zwar ein Fahrzeug und dazu noch Kisten und Kartons vom letzten Umzug bei sich – aber ein „Müllfahrer mit Erlaubnis“ ist er nicht. Was tun?, fragt er sich und schaut das Verbotsschild unverwandt an. Vielleicht lauert irgendwo die Polizei?

Jeder steht einmal vor dem Problem

Schon manch einer, der sein überflüssiges Hab und Gut loswerden wollte, zunächst aber nach alter Gewohnheit (und vergeblich) zu den Müllhalden in Maiach-Hinterhof über Gibitzenhof gesteuert war – das kleine Hinweisschild an der Ecke Nopitsch- und Heisterstraße über die neue Zufahrtstrecke hatte er übersehen – ist in der Saarbrückener Straße unverrichteter Dinge umgekehrt. So einfach war er nicht zum „Blechen“ bereit, und außerdem ist der Wald nah, groß und weit; da kann er seine ausgedienten Autoreifen, den klapprigen Stuhl und die angeschlagenen Blumenkästen „unterbringen“.

13. März 1966: Wohin mit dem alten Plunder?

© Eißner

Tatsache aber ist, daß die „Privatmüllfahrer“, die schnurstracks zum Schuttgebirge fahren, gar nicht belangt werden, wenn sie den gelegentlich auftauchenden Kontrollbeamten sagen, daß sie ja nur ihr „Glump“ abladen wollen. Das aber entschuldigt das (unsinnige) Durchfahrtsverbotsschild keineswegs. Welcher Neuling weiß schon, was gespielt wird?

Jeder steht einmal vor dem Problem, wo er sperrige Gegenstände aus Haushalt und Garten loswerden soll. Die Müllkutscher nehmen sie nicht mit – und verbrennen läßt sich das kleingehackte Zeug nicht, weil die Wohnung eine Öl- und Zentralheizung besitzt. Die bekannten Schuttabladeplätze sind für den kleinen Mann gesperrt, und die „Kumpels“ von der Entrümpelung lassen sich nicht mehr blicken. Was ist der Erfolg? Matratzen, Polstersessel und Sofas finden sich im Walde – genau dort, wo sich müde Großstädter erholen wollen.

„Schlampig sind die Leute“, sagt der Leiter des Forstamtes Fischbach, „wir können ihnen nachlaufen wie den kleinen Kindern!“ Überall liegt Unrat herum, und im Forstamt Nürnberg-Nord (Ziegelstein) ist gar ein Beauftragter regelmäßig unterwegs, um bei den „Hinterlassenschaften“ systematisch nach den Urhebern zu suchen. Etliche werden gefunden – und nach dem neuen Forststrafengesetz mit 150 DM zuzüglich der Kosten für den Abtransport des Gerümpels belegt. „Was lotst ihr denn diese Leute, die mit der Natur nicht verbunden sind, überhaupt so weit in den Wald hinein?“ fragen viele Mitglieder des Fränkischen Albvereins ihre Waldparkplatz-Initiatoren. Wegewart Anton Leidinger versteht den Einwand, aber er hofft dennoch weiter auf die Vernunft der Ausflügler, die Spazierfahrt nicht zu einem Mülltransport zu verwenden. Er und seine Helfer geben sich Mühe, immer neue und reizvolle Wanderwege zu erschließen und zu markieren; zum Lohn müssen sie von den Forstämtern hören, welche Requisiten wieder auf der Strecke geblieben sind.

Neben Papiertaschentüchern und leeren Konservendosen, Keks-und Zigarettenpackungen finden sich in zunehmender Zahl auch abgebrochene Zimmeröfen, Küchenherde und Nähmaschinen im Wald. Bei Kraftshof stand kürzlich eine fast neue Couch – allerdings nur zwei Tage, dann hatte sie ein „Sammler“ abgeholt. Die spitzenbesetzten Dessous einer (ermittelten) Variete-Tänzerin dagegen hätten auch in eine Mülltonne gepaßt.

Die Gemeinden Röthenbach a. P., Schwaig, Behringersdorf und Rückersdorf tun sich leichter: sie haben gemeinsam vom Forstamt Nürnberg-Ost eine große Sandgrube beim Autobahnkreuz gepachtet, und jedermann kann ungehindert hinfahren und seine überflüssigen Habseligkeiten – gegen geringe Gebühr – über Bord kippen. Dazu benötigt er lediglich einen Erlaubnisschein der jeweiligen Kanzlei. „Das läuft wie am Schnürchen“, sagt Forstmeister Frank.

Nur fünf Mann mehr Personal

„Wir bekommen frühestens im Herbst 1968 die Müllverbrennungsanlage“, erklärt Heinrich Dorn, Leiter des städtischen Reinigungs- und Fuhramtes, „und dann wird alles viel besser!“ „Bis dahin aber gebe es für viele Bürger die Lösung, daß sie sich für die Abfuhr überflüssiger Güter zu einer Hausgemeinschaft zusammenschließen und damit einen Unternehmer beauftragen. Referenzen (Tel. 2025/2651) geben wir gern!“

„Wenn wir nur fünf Mann mehr an Personal hätten“, sagt der Amtsleiter weiter, „dann könnte eine Entrümpelungsaktion schon wieder quer durch die Stadt beginnen – aber wir haben sie nicht! Vielleicht klappt es noch in diesem Jahr!“ Vielen Bürgern der Stadt wäre damit geholfen. Vorerst erscheint es gescheit, die Zufahrtstrecke zum öffentlichen Schuttabladeplatz, der täglich von fast 700 Fahrzeugen heimgesucht wird, nicht nur für die Transporter der Betriebe, sondern auch für den privaten „Müllkipper“ deutlich zu markieren und offiziell freizugeben. Dann liegt auch manch alter Plunder nicht länger im Walde.

Verwandte Themen


Keine Kommentare