13. März 1968: Streit um die Stadtmauer nötig?

13.3.2018, 07:00 Uhr
13. März 1968: Streit um die Stadtmauer nötig?

© NN

„Rettet die Stadtmauer“, tönt es lautstark aus dem Altnürnberger Freundeskreis, obwohl bis jetzt noch niemand weiß, wo sie überhaupt gefährdet ist. Erst Anfang April muß sich der Stadtrat entscheiden, ob er in das Angebot eines finanzkräftigen Bauherrn einschlagen will, der ihm das Kulturzentrum kostenlos hinstellt, wenn er den übrigen Grund und Boden für seine Zwecke nutzen darf.

Für Nürnberg ergibt sich damit die einmalige Chance, bis zum Dürer-Jahr 1971 ein Bauwerk von bleibender Erinnerung zu erhalten, die möglicherweise mit dem Opfer des eine oder andern verwitterten Steines erkauft werden muß.

13. März 1968: Streit um die Stadtmauer nötig?

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Welche historischen Werte stehen auf dem Spiel? An dieser Frage werden sich die Gemüter erhitzen, sobald der Bauherr seine Pläne offen auf den Tisch legt. Selbst wenn sich der Stadtrat in seiner April-Sitzung über den Grundstückshandel einig werden sollte, wird es bis zum Herbst dauern, ehe die Nürnberger den Entwurf für das Hundert-Millionen-Projekt in der Zwingerzone unter die Lupe nehmen können. Heute schon bietet sich jedoch als handfeste Grundlage für die Diskussion die Partie zwischen Königstor und Norishalle an, in der längst nicht alles Gold ist, was da glänzt.

Die gute alte Zeit, die von den guten alten Freunden der Stadtmauer immer wieder beschworen wird, ist gerade um das Königs- und Marientor nur noch in Bruchstücken sichtbar, wie selbst die Denkmalspfleger zugeben müssen. Als die Nürnberger im vorigen Jahrhundert des rasenden Verkehrs von Pferdefuhrwerken nicht mehr anders Herr zu werden glaubten, wurden sie zu Sündern am mittelalterlichen Wall. Sie durchstießen die Mauer am Königstor, das ursprünglich seine einzige Pforte im Waffenhof besaß, und schufen erst das Marientor das es bis dato überhaupt nicht gegeben hatte.

Keine Überlebenschance?

Die Ahnen der heutigen Generation taten nicht s anderes, als ihre Nachfahren auch jetzt beabsichtigen: sie errichteten Bauwerke im Stil ihrer Zeit, obendrein an den augenfälligsten Ecken dieser Mauerpartie. Dabei zeigten jene Altvorderen nicht immer ein glückliche Hand, beispielsweise als sie das Marientor 1859 überbauten und mit niedlichen Türmchen zierten. Solche Fehlgriffe sind freilich vergessen, weil sie inzwischen längst abgerissen und somit verschwunden sind.

13. März 1968: Streit um die Stadtmauer nötig?

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Das Künstlerhaus, das den simplen, niedrigen und breitgelagerten Salzstadel an der gleichen Stelle ersetzte, stammt ebenso aus dem ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts wie die ehemalige Fränkische Galerie. Noch späteren Datums ist der Marientorzwinger, der wie die beiden anderen Eckpfeiler kaum eine Überlebenschance hat, wenn es zu dem Kulturzentrum mit seinem Anhang von Geschäftshäusern kommt.

Unbestritten von Freund und Feind des Zukunftsprojekts bleibt jedoch, daß ein wertvolles Erbe in der Mauer- und Grabenpartie steckt. Gleich hinter dem Künstlerhaus fängt es mit einem stattliche Turm an, der einst ein Künstlerstübchen barg, jedoch nur als Stumpf die Bombennächte überdauert hat. Ein primitives Notdach mit Dachpappe schützt ihn vor dem weiteren Verfall, denn die Denkmalspfleger wollten ihn wiedererstehen sehen, wenn sich am Künstlerhaus etwas rührt.

Die Mauer zwischen diesem Turm und der Südseite der Fränkischen Galerie gehört ebenso zu dem mittelalterlichen Wall, mit dem sich die Nürnberger Mitte des 15. Jahrhunderts ihrer Gegner zu erwehren suchten, wie jene dicken Quader nördlich vom Marientorzwinger. In beiden Fällen kann der Kundige ablesen, wie die Stadtmauer mit der Kriegstechnik gegangen ist: am Königstorgraben sieht er sogenannte Streichwehre, die auf die obligaten Wehrgänge folgten, weil sich hinter ihnen Kanonen abfeuern ließen; am Marientorgraben erhebt sich ein „Kavalier“ aus dem normalen Mauerwerk, der es möglich machte, weiter ins Land zu sehen und zu schießen.

Ihren ganzen Reiz und ihre ganze Romantik enthüllt die Stadtmauer freilich auf ihrer Rückseite, wo sich die Häuser eng an sie drängen, wo nur schmale Gassen eine Weg offenlassen. Die Marientormauer (ihr fehlt der Wehrgang seit den Feuersbrünsten von 1945), und die Königstormauer sind unverändert seit dem 15. Jahrhundert auf diese Zeit überkommen. In ihnen ragen die gotischen Türme auf, an ihnen zeigen sich die Holzaufgänge und Nischen. Niemand denkt in seinen kühnsten Träumen daran, dieses kostbare Erbe anzutasten, wie offizielle Kreise beteuern. Sollte hie und da ein Turm beim Bau im Wege stehen, so werde er Stein für Stein abgetragen und danach wieder errichtet. Noch ist also nichts verloren…

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