13. September 1966: Lächeln als Medizin

13.9.2016, 07:00 Uhr
13. September 1966: Lächeln als Medizin

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Dabei gibt es eigentlich für die 20- bis 25jährigen Lernschwestern, die im April 1964 und im Mai 1966 nach Nürnberg kamen, nicht viel zu lachen. Sie müssen lernen und lernen, um mit ihren 13 deutschen Kolleginnen Schritt zu halten; sie üben das Fiebermessen, das Tablettenausteilen, das Essenbringen und Spritzen vorzubereiten. "Nebenher" wird die Sprache des Gastlandes gepaukt, damit auch die theoretischen Studien zum Erfolg führen.

Nach Deutschland hatte sie der in Wuppertal praktizierende koreanische Chirurg Dr. Lee geholt - zusammen mit 30 weiteren Mädchen aus seiner Heimat, die in Frankfurt, Hamburg und Essen hospitieren. Die ersten vier "Nürnbergerinnen" - sie haben sich nach überstandenem Heimweh inzwischen eingewöhnt - stiegen gestern ins Examensjahr; der erste Unterricht, den Dr. Hansgeorg Holzfelder als Chefarzt der internistischen Abteilung erteilte, galt der Pathologie.

Harmonisch haben sich die ebenso eifrigen wie aufgeweckten Schülerinnen in den Kreis der 430 Voll- und Schulschwestern eingereiht. Sie tun in der Klinik und in ihrer Krankenpflegeschule an der Stadenstraße jeden Dienst, der von ihnen verlangt wird. Um 5 Uhr stehen sie auf, und um 7 Uhr abends endet - bei zweistündiger Ruhepause - ihr Arbeitstag. Drei Stunden in der Woche wird Deutsch gelernt, denn zum theoretischen Pensum gehören nicht nur Anatomie, Medikamenten-, Ernährungs- und Gesundheitslehre, sondern auch Psychologie und Gesetzeskunde.

Von ihrem Taschengeld (im ersten Lehrjahr 80 DM, im zweiten 100 DM und im dritten 130 DM) sparen sie das Geld für die Rückreise, obwohl sie erst nach zwei vollendeten Praktikantenjahren im Anschluß an das Staatsexamen möglich ist. "Wir wollen wieder heim" sagt Gwi Gook Lie ("Giguck" wird sie gerufen), "denn in unserem Land gibt es auch viel Leid, das zu lindern ist!" Tatsächlich plant Dr. Lee für die Zukunft den Bau eines Krankenhauses in Teran, um die trotz vielseitig geförderte, aber noch unzureichende Gesundheitspflege in seiner Heimat - mit Hilfe der in Deutschland ausgebildeten Schwestern - voranzubringen.

Nun, die Gwi Gook, Kong Soon, Tai Re, Hea Rang und wie sie alle mit ihren klangvollen Vornamen heißen, müssen jetzt erst einmal beweisen, daß sie zu solch großen Aufgaben fähig sind. Der Krieg hat sie zumeist zu Voll- und Halbwaisen gemacht; um so mehr halten sie hier zusammen. Wenn sie dienstfrei sind, tummeln sie sich auf dem Sportplatz, treffen sich in der Bibliothek oder sie musizieren. An den Feiertagen tauschen sie ihre Schwesterntracht gerne gegen Tschogori und Chima aus. Und einmal im Monat dürfen sie ihre koreanischen Leibgerichte kochen.

Kommt ein acht Tage alter Briefgruß per Flugpost, springen sie vor Freude in die Höhe und sprechen dann - wider die sonstige Gepflogenheit - koreanisch (420 Buchstaben werden rutziputz verteilt). Aber die "Mandeläugigen", die von ihren Patienten geliebt werden, können auch schon nürnbergerisch. Voran steht: "Ohzullts Buttlasba."

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