14. April 1968: Nicht jeder Sonntag ist ein Festtag

14.4.2018, 07:00 Uhr
14. April 1968: Nicht jeder Sonntag ist ein Festtag

© NN

Aus der Fülle von Problemen, die dabei zur Sprache kamen, haben wir drei Themenkreise herausgegriffen, weil wir glauben, daß sie für unsere Leser gerade zum Osterfest von besonderem Interesse sein können. Auf dieser und der nächsten Seite berichten wir wortgetreu über die Fragen und Antworten, die mehr als zwei Stunden lang im kleinen Saal der Meistersingerhalle vorgetragen wurden. Das Gespräch zwischen dem Publikum und dem Diskussionsleiter einerseits und dem Dekan auf der anderen Seite war hart, aber stets sachlich.

Frage: „Wir feiern bald Ostern. An diesen Festtagen sind die Kirchen meist überfüllt. Es kommen auch jene lauen Christen in die Gottesdienste, die sich das Jahr über selten oder überhaupt nicht sehen lassen. Gehören Sie zu den Pfarrern, die sich über den Besuch der schwarzen Schafe freuen, oder zu den Geistlichen, die in der Predigt jene seltenen Gäste anprangern. Wie steht es denn mit dem Gottesdienstbesuch in Nürnberg im allgemeinen?“

Dekan Kelber: „Ich möchte wirklich sagen, welcher Pfarrer wird – verzeihen Sie! – so blöd sein und das tun. Ich freue mich natürlich, daß die Menschen kommen. Das ist doch ganz klar, ich werd‘ doch nicht drandenken, wenn einmal statt 200 vielleicht 400 da sind, die 200, die zufällig jetzt da sind, zu beschimpfen. Rein psychologisch wär‘ das das Allerdümmste, was man machen könnte. Ich freue mich, daß sie kommen.

14. April 1968: Nicht jeder Sonntag ist ein Festtag

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Frage: „Alle Welt spricht von der Ökumene, der christlichen Welt in ihrer Gesamtheit also. Wie beurteilen Sie – auch aus Ihrer Nürnberger Praxis heraus – die Möglichkeiten zu einer engeren Zusammenarbeit der beiden großen christlichen Konfessionen. Besteht irgendeine Aussicht, daß sich die evangelische und die katholische Kirche wieder vereinigen?“

Dekan Kelber: „Also, wissen Sie, das mit der Wiedervereinigung halte ich im Augenblick für eine utopische Sache. Ich glaube nicht, daß eine Entwicklung, die 500 oder 400 Jahre abgelaufen ist, innerhalb von einigen Jahren oder Jahrzehnten zurückgespult werden kann. Darin ist auch die katholische Kirche mit uns einig. Eine Wiedervereinigung zu einer Kirche scheint mir im Augenblick nicht drin zu sein.

Dagegen scheint mir sicher zu sein, daß die Verstehensmöglichkeit zwischen den zwei Hauptkonfessionen wesentlich größer geworden ist. Vergessen Sie bitte nicht, und das sage ich den hier anwesenden evangelischen Christen und auch, wenn katholische Christen hier sein sollten, mit ganz großem Nachdruck, daß in der katholischen Kirche ja ein Erdrutsch passiert ist in den letzten Jahren, von dessen Gewalt wir – glaube ich – noch nicht genügend Notiz genommen haben. Ich habe natürlich gesagt: ‚In der Ehesache ist alles gleich geblieben‛, aber ich glaube tatsächlich, daß die Anstöße, die da gegeben werden, weiterwirken und daß noch einiges im Gange ist, was zu Hoffnungen Anlaß gibt, daß wir uns wirklich besser verstehen.

Ich will bloß sagen, daß ich hier in Nürnberg mit der katholischen Kirche in einem sehr guten Einvernehmen bin und daß ich tatsächlich – gerade mit Dekan Holzmann – in einem brüderlichen Einvernehmen lebe. Wir haben zum Reformationsfest einen gemeinsamen Gottesdienst gehalten, die evangelische und katholische Jugend von Nürnberg. Bitte, vergessen Sie das nicht. Daß so etwas möglich ist heute, daß die Reformation auch von der katholischen Kirche nicht mehr nur als der Abfall gesehen wird, sondern als eine notwendige Sache, als eine Sache, die uns beide zur Buße ruft.

Die katholische Kirche ist nicht mehr so ein monolythischer Block, der völlig unberührt vom Weltgeschehen existiert. Denken Sie bloß an die Diskussionen über die Judenfrage, über die Familienplanung – all diese Sachen. Sie kann den Gegebenheiten nicht ausweichen und das bedeutet, daß sie mit uns in einem Boot sitzt.

Von da aus gesehen ist das Klima für eine Verständigung mit den Katholiken wesentlich besser geworden. Ich glaube jedoch nicht, daß das so weit geht, daß wir in absehbarer Zeit eine Wiedervereinigung der Kirchen erleben. Bei allem Erdrutsch ist der Anspruch des heiligen Stuhles, unfehlbares Lehramt der Kirche zu sein, geblieben, und in wesentlichen Punkten sind die Differenzen doch sehr groß.“

Frage: „Neuerdings gibt es aber ein gemeinsames Vaterunser!“

Dekan Kelber: „Ja, das ist auch sehr notwendig. Allerdings: Sie werden sehr schwer zu schlucken haben, wenn Sie das hören. Es ist ganz wenig verändert. Ich mein‘, es ist doch schön, daß die zwei Kirchen ein Vaterunser haben und ein gemeinsames Vaterunser beten können. Das halte ich für legitim und richtig. Und da muß man eben etwas ändern. Die Katholiken ändern es viel mehr als wir. Sie nehmen den Schluß, den sie nie hatten, in ihr Vaterunser auf.“

„Die Apostel mußten ohne Tonband und Fotoapparat berichten“

Frage: „Was sagen Sie, Herr Dekan, zu jenen Theologen, die Zweifel in das Neue Testament setzen. Manche Wissenschaftler behaupten, auch die Auferstehung Christi sei nur ein Bild und habe sich in der konkreten Form nie vollzogen.“

Dekan Kelber: „Sie wollen mich aufs Kreuz legen. Das wird Ihnen wahrscheinlich nur schlecht gelingen. Zunächst einmal zu denen, die die Botschaft der Bibel, die Berichte der Apostel leugnen. Ja, wissen Sie, das eine muß ich allerdings diesen sogenannten Leugnern zugestehen: daß die Berichte der Apostel – und jetzt muß ich boshaft werden – keine Presseberichte sind. Die Presse ist ja fabelhaft exakt und zuverlässig, sie berichtet ja immer alles ganz genau. So haben die Apostel nicht berichtet.

Sie hatten weder ein Tonband noch hatten sie Fotodokumentationen dabei. Sie haben auch kein Polizeiprotokoll aufgenommen, sondern sie haben weitererzählt, was sie gehört haben. Es gibt also nur das Zeugnis von Menschen über das, was ihnen widerfahren ist.

Die zweite Frage: die Frage nach Ostern. Wissen Sie, die Leugnung von Ostern hat‘s immer schon gegeben. Die steht schon im Neuen Testament. Da steht auch schon drin, daß man die Auferstehung Christi geleugnet hat. Und schon im Neuen Testament steht zu lesen, daß die Juden den Leichnam gestohlen haben oder daß die Römer ihn gestohlen haben. Allein aus der Tatsache des leeren Grabes können wir den Glauben an den auferstandenen Christus nicht bezeugen. Wir können den Glauben an den auferstandenen Herrn niemals auf dem Weg der Fakten bekommen, denn an Fakten glaub‘ ich nicht, Fakten weiß ich!

Der Glaube an den auferstandenen Herrn in der christlichen Kirche beruht auf Überzeugung, daß er gegenwärtig ist für mich, daß er da ist mit dem Zuspruch der Vergebung, mit der Hilfe, die mir widerfährt. Vielleicht sagen Sie, das ist eine Theologie der Erfahrung, aber es gibt im Grunde keine andere Theologie, als die der Erfahrung, des Glaubens und des Gewissens. Und von der lebe ich. Und von der leben auch 90 v. H. der sogenannten modernen Theologen, denn eine der Grunderkenntnisse der modernen Theologie ist die, daß der Auferstandene sich in seiner Gemeinde bezeugt hat und daß nur daraus überhaupt eine Kirche existieren kann. Nur daraus, daß er auferstanden ist, ist die Sache weitergegangen.

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