14. Juli 1966: Die U-Bahn mit "großem Format"

14.7.2016, 07:00 Uhr
14. Juli 1966: Die U-Bahn mit

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Den Grund lieferten Baureferent Heinz Schmeißner und Generaldirektor Professor Dr. Josef Ipfelkofer, die statt der 2,65 Meter breiten Frankfurter und Berliner Wagen das Münchner Format von 2,90 Meter wählen dürfen. Der Stadtrat glaubt damit verschiedene Vorteile einzuhandeln: Probebetrieb auf Kosten der Landeshauptstädter, Aufträge könnten gemeinsam vergeben werden. Bürgermeister Franz Haas sah sogar die gemeinsame Werkstatt. Dabei kostet jeder Zentimeter mehr Geld. Die Angaben schwankten zwischen 250 000 Mark und zwei Millionen Mark für den Kilometer.

Nachdem Polizeipräsident Erich Hess mit dem Jahresbericht 1965 viel Lorbeeren geerntet hatte, schlidderte der Stadtrat im Handumdrehen in die große U-Bahn-Debatte, obwohl er nur die Wagenbreite festlegen sollte. Der Baureferent machte sich zuerst zum Fürsprecher des Münchner Wagens und umschrieb die Mehrkosten mit folgender Prozentrechnung: „Setzt man die Kosten für den Unterpflasterstraßenbahn-Tunnel gleich 100 v. H., dann kommen bei 2,65 Meter Wagenbreite 91,7 v. H., bei 2,90 Meter aber 94,3 v. H. Heraus.“

Dabei gab er zu, daß mit einem solchen Überschlag nur relative Größen angedeutet werden können, weil die baureife Planung noch fehlt. „Wir bauen den Tunnel jedenfalls immer noch billiger, als einen für die Unterpflasterstraßenbahn, die wegen der Oberleitung größere Querschnitte erfordert“, erklärte er, um später noch einmal den Rechenstift zur Hand zu nehmen. Im zweiten Anlauf kamen 250 000 Mark Mehrkosten für die Betonarbeiten heraus, den staatlichen Zuschuß von 30 v. H. nicht berücksichtigt.

Generaldirektor Dr. Josef Ipfelkofer aber schilderte als Sachverständiger die Vorteile eines 2,90 Meter breiten Wagens in glühenden Farben. Von der Bequemlichkeit für den „König Fahrgast“ über die Möglichkeit, den Auftrag für die 15 auf dem 1. Abschnitt benötigten Doppelwagen günstig mit der Münchner Bestellung unterbringen zu können, bis zur Meinung der Berliner U-Bahn-Experten, die sogar die Münchner um ihre großzügigen Dimensionen beneideten, reichte die Palette.

Auf Stadtrat Albert Bleistein, der für die SPD-Fraktion sprach, hatten die Referenten Eindruck gemacht. „Wir sind einverstanden. Wenn wir das große Unternehmen starten, wollen wir uns die Erfahrungen anderer Städte zunutze machen und auf die gestiegenen Ansprüche der Fahrgäste Rücksicht nehmen, die nicht wie Ölsardinen in der Büchse transportiert werden wollen“, gab er die Zustimmung der Mehrheit des Hauses kund.

Da war der CSU-Fraktionsvorsitzende Dr. Oscar Schneider trotz der Befürworter in den eigenen Reihen schon vorsichtiger. Zwar bekräftigte er seinen Glauben, daß Langwasser durch die U-Bahn-Schiene mit der Stadt verbunden werden sollte, zumal für die Unterpflasterstraßenbahn keinerlei staatlichen Zuschüsse winken. Aber er hielt Professor Dr. Ipfelkofer vor, daß er noch vor wenigen Monaten ausnahmslos für den 2,65 Meter breiten Waggon eingetreten war.

Mit dem breiten Wagen vermochte er sich überhaupt nicht zu befreunden, weil die Berliner mit ihrem schmalen Format seit Jahrzehnten ausgezeichnet führen. Es sei deshalb nicht einzusehen, für das Münchner Modell viel Geld – nach seiner Ansicht etwa zwei Millionen Mark für den Kilometer – zusätzlich auszugeben, wenn ein bewährter Wagentyp wie der in Berlin verwendete zur Verfügung stünde.

Als eifrige Verfechter des unterirdischen Massenverkehrsmittel erwiesen sich dagegen erneut Oberbürgermeister Dr. Urschlechter, Bürgermeister Franz Haas und SPD-Fraktionsvorsitzender Willy Prölß. „Nicht um des schönen Abzeichens „U-Bahn-Stadt“ wegen, sondern weil es das einzige Mittel ist, mit dem Massenverkehr auf lange Sicht fertigzuwerden, haben wir uns für die U-Bahn entschieden“, rief das Stadtoberhaupt, das obendrein einen Baubeginn in der Innenstadt wegen der noch offenen technischen Fragen in den Bereich schöner Wünsche verweisen zu müssen glaubte und die U-Bahn-Ehe mit München als Beispiel der Rationalisierung pries.

Nur noch sieben Hände...

„Wir stehen zwangsläufig vor der Aufgabe, Langwasser an das öffentliche Verkehrsnetz anzuschließen. Sonst würden wir gar nicht über die U-Bahn diskutieren“, rief Willy Prölß und Bürgermeister Haas ergänzte: „Fangen wir wegen 100 000 Mark nicht zu krautern an. Machen wir die Sache so gut, daß sie in der Zukunft Bestand hat“.

Nachdem Dr. Andreas Urschlechter mit der Nachricht überrascht hatte, daß das Land Bayern bereits einen ersten, wenn auch noch bescheidenen Beitrag für die Nürnberger U-Bahn bereitgestellt hat, hoben sich bei der Abstimmung nur noch sieben Hände gegen den breiten Wagentyp, der maximal 21 Meter lang sein wird.

Baureferent Heinz Schmeißner weiß nun jedenfalls, welches Maß er beispielsweise den Plänen für die auf dem Weg nach Langwasser benötigten Brücken zugrunde legen kann. Er braucht nur noch den Startschuß zu geben, damit sich seine Mitarbeiter kopfüber in die Arbeit stürzen.

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