14. November 1967: US-Botschafter bedauert die Verunglimpfung

14.11.2017, 07:00 Uhr
14. November 1967: US-Botschafter bedauert die Verunglimpfung

© Gerardi

Bei der Feier zum 20jährigen Bestehen des Nürnberger Amerikahauses verlas Oberbürgermeister Dr. Urschlechter ein Schreiben von Botschafter McGhee, in dem der Bonner Repräsentant der Vereinigten Staaten die Besorgnis des Staatsoberhauptes teilt, daß durch den CBS-Film „The Germans“, den zehn Millionen amerikanischer Zuschauer Anfang Oktober gesehen hatten, die freundlichen Beziehungen zwischen Nürnberg und seinem Land getrübt werden könnten. „Ich bin bestürzt über die Tatsache, daß Nürnberg glaubt, zur Kritik auserlesen worden zu sein“, hieß es wörtlich in dem Brief an Dr. Urschlechter. McGhee entschuldigte den tendenziösen Bericht damit, daß die amerikanischen Radio- und Fernsehgesellschaften in privater Hand sind und keiner Kontrolle der Regierung unterliegen.

14. November 1967: US-Botschafter bedauert die Verunglimpfung

© Gerardi

Nürnbergs Oberbürgermeister hatte einen offiziellen Protest namens der Bevölkerung wegen der Fernseh-Sendung an den US-Botschafter gerichtet. „Der CBS-Film hat mir meine Mitwirkung an dem Deutsch-Amerikanischen Institut Nürnberg (Amerikahaus) sehr erschwert, zumal es Steuergelder der Bevölkerung Nürnbergs, des Freistaates Bayern und der Bundesrepublik Deutschland sind, die hierfür ausgegeben werden, ohne daß die gleichen Möglichkeiten in den USA bestehen, das Image unserer deutschen Städte zu wahren“, stellte Dr. Urschlechter in seinem Schreiben massiv fest.

McGhee tief beeindruckt

Das Stadtoberhaupt bekam für seinen Hinweis auf den Wiederaufbau-Willen „einer fleißigen, freiheitlich gesinnten, friedliebenden und weltoffenen Bürgerschaft im kriegszerstörten Nürnberg wie in anderen verwüsteten deutschen Städten“ mehr als eine Bestätigung des amerikanischen Botschafters. „Ich bin tief beeindruckt, sowohl von der ungeheuren Leistung des Wiederaufbaus in Nürnberg als auch von dem demokratischen Geist Ihrer Stadt, die von der vortrefflichen Führung durch Sie und Ihre Kollegen zeugen“, versicherte McGhee.

Sofortiger Schritt bei CBS

Außenminister Willy Brandt hat sich ebenfalls zur Ehrenrettung für Nürnberg gemeldet, nachdem er Protestschreiben von Oberbürgermeister Dr. Urschlechter und dem Chef der Nürnberger CSU-Stadtratsfraktion, Dr. Schneider, erhalten hatte. „Die Deutsche Botschaft in Washington hat von sich aus sofort nach der Sendung dem Präsidenten und der Redaktion von CBS unser Befremden über die Tendenzen und die zahlreichen falschen Szenen des Filmes mitgeteilt“, stellte der Vizekanzler fest. Er verweist darauf, daß auch in der amerikanischen Presse an der oberflächlichen und stellenweise böswilligen Darstellung zum Teil heftiger Kritik geäußert worden sei.

Brandt hat jedoch auf einen förmlichen diplomatischen Schritt verzichtet, weil dies als ein Eingriff in die Pressefreiheit angesehen worden wäre. Beim Festakt im Kleinen Saal der Meistersingerhalle wurde der Oberbürgermeister mehrfach von Beifall unterbrochen, als er seine große Sorge darüber äußerte, daß in den USA vor Millionen von Fernsehzuschauern ein falsches Bild von Deutschland und deutschen Großstädten aufgezeigt wird.

„Bei meinem Besuch in den Vereinigten Staaten mußte ich im September 1966 wiederholt feststellen, welche Schauerpropaganda mit offensichtlich in amerikanischen Ateliers gedrehtem Filmmaterial sogenannter historischer Art gemacht wird“, zitierte Dr. Urschlechter aus seinem Brief an US-Botschafter McGhee. Er zog daraus den Schluß, daß einflußreiche Kräfte am Werke seien, um das Ansehen der Bundesrepublik, aber auch der Stadt Nürnberg zu schmälern.

Das Stadtoberhaupt forderte in seinem Schreiben Amerikanisch-Deutsche Institute in den USA, die dem amerikanischen Bürger objektives Filmmaterial an die Hand geben könnten, wie es hierzulande umgekehrt die Amerikahäuser tun. Mit diesem Vorschlag rannte Dr. Urschlechter, wie er der Festversammlung mit zahlreichen Ehrengästen des öffentlichen Lebens berichtete, bei George McGhee offene Türen ein. Der Botschafter verwies in seinem Antwortbrief auf die Goethe-Institute in New York, Boston und San Francisco, die mit einer großzügigen finanziellen Unterstützung von amerikanischen Bürgern arbeiten. Ähnliche Einrichtungen werden bald in Chicago und Houston eröffnet. Der Botschafter führte auch die nützliche Informationstätigkeit der deutschen Vertretung in Washington ins Feld.

In seinem Brief bat der US-Repräsentant in Bonn den Oberbürgermeister eindringlich aus dem Einzelfall des Hughes-Filmes keine falschen Schlüsse zu ziehen. „Persönlichkeiten, die an der Spitze von großen Städten und großen Nationen stehen, dürfen sich durch solche alleinstehende Vorkommnisse nicht von unserem Ziel ablenken lassen, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit anderen Nationen aufzubauen“, schrieb McGhee wörtlich. In einer Grußbotschaft zum zwanzigjährigen Bestehen des Nürnberger Amerikahauses, die von Generalkonsul Robert C. Creel vorgetragen wurde, gab der Botschafter seiner Hoffnung Ausdruck, daß die fruchtbare Beziehung zwischen dem Institut und der Stadt weiterhin bestehen und dazu beitragen möge, das gegenseitige Verständnis zu vertiefen.

Brücke zwischen Ost und West

Der Generalkonsul selbst tat alles, den schlechten Eindruck der CBS-Fernsehsendung zu verwischen. Er lobte Nürnberg als eine Stadt, die es verstanden habe, auch in ihrem politischen Leben aus Schutt und Asche wieder zu erstehen und zielstrebig für die Zukunft zu planen. „Es steht für mich außer Zweifel, daß Nürnberg seine Bedeutung als Brücke zwischen Ost und West vergrößern und völkerverbindende Aufgaben übernehmen wird“, betonte Robert C. Creel. Regierungspräsident Karl Burkhardt überbrachte die Glückwünsche des Bezirks Mittelfranken, der bayerischen Staatsregierung und der Bundesrepublik an das „Geburtstagskind“ und stellte die Frage, „ob wir alles tun, um amerikanischen Staatsbürgern, die oft Jahre in diesem Land verbringen, das rechte Bild von Deutschland zu vermitteln.“

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