15. August 1965: Straßenbahn – ein Sorgenkind

15.8.2015, 07:00 Uhr
15. August 1965: Straßenbahn – ein Sorgenkind

© Gerardi

Selbst eine Untergrundbahn, die von der Stadt geplant wird, kann künftig nicht verhindern, daß das Massenverkehrsmittel ein Draufzahlgeschäft ist. „Wir wissen nicht, wie das weitergehen soll“, meint Generaldirektor Prof. Dr. Ipfekofer, denn die Fahrpreise erscheinen hoch genug. Hingegen ist aus den Worten der verantwortlichen Männer deutlich herauszuhören, daß die Nürnberger mit einem Wasserpreis von 45 Pfennig pro Kubikmeter die längste Zeit billig davongekommen sind. Es kann gut sein, daß er auf 70 Pfennig erhöht wird. Die Werke müssen auf jeden Fall den Preis anheben, um dem bayerischen Staat zu zeigen, daß sie ihre eigenen Möglichkeiten ausschöpfen, ehe sie ihn um Zuschüsse für die beabsichtigte Wasserleitung vom Donautal nach Mittelfranken angehen. An diesem Projekt von 260 Millionen Mark ist nicht nur die Stadt Nürnberg brennend interessiert, sondern auch andere Städte und Landkreise (von Weißenburg bis Forchheim) wollen daran teilhaben; ein Zweckverband wird bald schon gegründet. Inzwischen arbeitet die Energie- und Wassersorgungs AG weiter an dem Vorhaben, das für mehr als eine Million Menschen gutes Trinkwasser bringen soll.

Bis 1968/69 dürfen die ersten 3000 Liter pro Sekunde – später werden es sogar 5000 Liter sein – aus dem Donautal in Nürnberg erwartet werden. Bislang können die Werke 2500 Liter in der Sekunde liefern, allerdings mit dem Oberflächenwasser aus Mühlhof, das in Zukunft nur noch in Notfällen herangezogen werden soll. Ansonsten haben sich die Werke im vergangenen heißen Sommer über Wasser halten können, obwohl sie im Juli mit 210 000 Kubikmetern den höchsten Tagesbedarf in ihrer Geschichte zu verzeichnen hatten. Das waren 17 v. H. mehr als vorher bei der höchsten Spitze mit 172 300 Kubikmeter im Jahre 1957. In den ersten sechs Monaten ging heuer dagegen die Wasserabnahme um 12 Prozent zurück, eine Folge des nassen Sommers, in dem dafür der Fernwärmeverbrauch (um 8 v. H.) gestiegen ist.

Viel Geld fließt durch den Strom in die Kassen der EWAG, deren Umsatz mit 387,6 Millionen Kilowattstunden um 8,1 v. H. höher lag als 1963. Insgesamt hat sich die Stromabgabe in den letzten 15 Jahren vervierfacht, woran sich deutlich zeigt, daß in den Haushalten immer mehr elektrische Geräte verwendet werden. Einer solchen Entwicklung kommt auch der Preis entgegen, der für Strom um 27 v. H. pro Kilowattstunde niederer liegt als vor 12 Jahren. Um den wachsenden Ansprüchen genügen zu können, mußte das Kabelnetz von 50 Kilometer im Jahre 1960 auf 216 Kilometer ausgebaut werden.

Mit dem Gasverkauf macht die Gesellschaft ebenfalls ein gutes Geschäft, denn er steigt und steigt und steigt. Im letzten Jahr sind 162 Millionen Kubikmeter abgenommen worden gegenüber 152,2 Millionen zuvor. Es wird damit gerechnet, daß vor allem der Heizgas-Bedarf weiter wächst, weil sich Gasheizungen steigender Beliebtheit erfreuen. „Heute greifen Leute zu dieser bequemen Heizart, die sich diesen ,Luxus´ noch vor fünf Jahren nicht leisten wollten“, erklärt Generaldirektor Prof. Ipfelkofer. Das Nürnberger Netz, das schon von Treuchtlingen bis Erlangen, von Neumarkt bis Ansbach reicht, wächst außerdem zusehends; mit Eichstätt wurde kürzlich ein Vertrag abgeschlossen.

Die Spaltanlage für Leichtbenzin, wird dazu dienen, allen Anforderungen des Winters gerecht werden zu können. Denn wenn in der kalten Jahreszeit die Temperatur um 1 Grad sinkt, steigt der Verbrauch um 2,5 Prozent. Aus diesem Grunde muß die Tagesabgabe im Winter doppelt so hoch sein wie im Sommer.

Mit Wasser, Strom und Gas hat die Energie- und Wasserversorgungs-AG einen Gewinn von 16,730 Millionen Mark erwirtschaften können. Doch den Städtischen Werken als Muttergesellschaft bleib davon nicht viel, denn die Verkehrsbetriebe schlossen mit einem Verlust von 15,628 Millionen DM ab. Das Defizit ist schon wieder um 1,4 Millionen DM über den Betrag des Jahres vor der letzten Tariferhöhung (1963) gewachsen. Die Verkehrsleistung ging von 124,8 Millionen Fahrgästen auf 124,2 Millionen zurück. Der milde Winter scheint viele Kraftfahrer ermutigt zu haben, hinter dem Steuer zu bleiben, statt in die Straßenbahn umzusteigen.

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