153 Minuten warten: Willkommen im Einwohneramt Nürnberg

8.4.2016, 06:00 Uhr
153 Minuten warten: Willkommen im Einwohneramt Nürnberg

© Michael Matejka

Die geschätzte Wartezeit wächst und wächst. An ihr kommt niemand vorbei. Wer die Schalterhalle im Einwohneramt betritt, sieht die digitale Anzeige sofort. Die mittlere Wartezeit um 11.55 Uhr: 138 Minuten; um 12.15 Uhr: 145 Minuten und um 13.25 Uhr zeigt die Tafel bereits 153 Minuten an. Die Wartezeit von drei Stunden wird an diesem Tag tatsächlich noch erreicht. Und, was die Kunden besonders aufregt: Von 28 Schaltern sind nur 18 geöffnet.

Mit der Kritik an diesem Zustand rennt man bei Olaf Kuch offene Türen ein. "Wenn sich jemand darüber beschwert, kann ich ihm nicht widersprechen", sagt der Leiter des Einwohneramtes auf Anfrage. Den langen Dienstag (8 bis 18 Uhr) für die Bürger musste die Behörde aus Personalengpässen auch schon einstellen. "Ich will da nichts beschönigen: Wir verwalten den Mangel", sagt er.

Warum? Kuch zählt eine Reihe Gründe auf: Die Stadt ist in den vergangenen fünf Jahren um rund 30.000 Menschen gewachsen - darunter viele Flüchtlinge und Menschen aus Süd-Ost-Europa. Einer der ersten Amtsgänge der Neu-Bürger ist der Weg zum Einwohneramt. Sprachbarrieren zwischen Ausländern und Mitarbeitern verzögern obendrein den Durchgangsverkehr am Schalter.

Mehraufwand für die Verwaltung

Seit November schreibt ein neues Bundesgesetz vor, dass ein Mietvertrag für die Anmeldung alleine nicht mehr ausreicht. "Der Vermieter muss das zusätzlich auch noch schriftlich bestätigen." Folge: ein Mehraufwand für die Verwaltung. Außerdem müsse jeder Mitarbeiter seit November per Gesetz Telefongespräche unter anderem für die Polizei protokollieren: Wer hat angerufen, was wollte er wissen. Zudem weist die Stadt immer wieder neue Anwohnerparkplätze aus, die Bürger kommen ins Amt, um sich den nötigen Ausweis ausstellen zu lassen.

Besonders hart: Für Stellen mit Publikumsverkehr ist kein Personal mehr zu finden, so Kuch. "Der Markt ist leer gefegt." Weil die Belastung für das Personal im Einwohneramt wächst und wächst, bewerben sich junge Angestellte aus dem Umland, von denen es bei der Stadtverwaltung viele gibt, lieber auf Stellen in ihren Heimatkommunen - und nicht in Nürnberg.

Der Personalrat spricht derzeit von einer "prekären Personalsituation" und schaut neidisch nach München. Die Landeshauptstadt hat sofort 50 zusätzliche Stellen bewilligt, als es bei den Zulassungsstellen Engpässe gab. Nürnberg denkt jedoch über andere Lösungen nach. Im Gespräch sind eine "Schalter-Zulage" für Mitarbeiter und die Möglichkeit, in kürzeren zeitlichen Abständen in die nächste Gehaltsstufe zu kommen.

 

 

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