16. Januar 1966: Wahlkampf wird kurz, aber heftig

16.1.2016, 07:00 Uhr
16. Januar 1966: Wahlkampf wird kurz, aber heftig

© Gerardi

Nur knapp 20 Tage bleiben ihnen nach der heiteren Faschingszeit, um für eine so ernste Sache wie die Kommunalwahl am 13. März Stimmung zu machen und auf Stimmenfang zu gehen. Aber die Mannschaften der drei „Großen“ SPD, CSU und FDP, sind schon jetzt startklar für das Rennen um die Ratssitze. Die Wahlkampfstrategen knobeln in diesen Tagen hinter den Kulissen für ihre Kandidaten den besten und sichersten Weg zum Rathaus aus.

Alle haben gute Vorsätze

Die großen Schlagworte haben alle Parteien schon zur Hand, die kleinen Einzelheiten der Strategie müssen erst noch ausgetüftelt werden. „Für Nürnberg wieder mit der SPD“ – mit diesem Schlachtruf wollen die Sozialdemokraten zu Felde ziehen. „Nürnberg braucht die Union“ – das ist das Aushängeschild der CSU, hinter dem manche schon ein verstecktes Angebot für eine große Koalition vermuten. „Nürnberger denkt an eure Stadt; sie braucht die Freie Demokratische Partei“ – verkündet die FDP. Von Ende Februar an werden diese Sprüche in Dampfhammer-Schlagzeilen von den Plakaten leuchten.

Mit den besten Vorsätzen gehen die Stadtratsanwärter aller politischen Schattierungen in die nervenzerfetzende Zeit, in der sie um die Gunst des Bürgers buhlen, so unterschiedlich auch ihre Ziele sind. „Wir führen den Wahlkampf nicht gegen eine Partei, sondern wollen vielmehr die Leistungen der SPD in den letzten Jahren und die Aufgaben für die Zukunft herausstellen“, versichert der Fraktionsvorsitzende der Rathaus-Mehrheit, Willy Prölß.

Ein teurer „Spaß“

Die bürgerlichen Parteien hingegen möchten es sich angelegen sein lassen, die Vorherrschaft der Sozialdemokraten zu brechen. Die CSU ist der Meinung, daß sie genug Erfolge aufzuweisen hat, um sich nicht an ihrem politischen Gegner auslassen zu brauchen (so Dr. Oscar Schneider). Die FDP glaubt ebenfalls, ihr Licht in Form einer sechsjährigen Stadtratsarbeit nicht unter den Scheffel stellen zu müssen (Hans Bibel). Obwohl sich alle brav, fair und sachlich zeigen wollen, sind sie dennoch entschlossen, zurückzuschlagen, wenn ihnen die Konkurrenz zu nahe tritt.

Die drei großen Parteien sind dem närrischen Volk fast ein wenig dankbar dafür, daß es sie erst kurz vor dem Gang zu den Urnen zu Wort kommen läßt, denn Kommunalwahlkämpfe sind sehr teuer, weil sie mit dem Geld der örtlichen Organisationen bestritten werden müssen. Obendrein hat die letzte Bundestagswahl tiefe Löcher in die Kassen gerissen und noch heuer soll das Volk für die Landtagswahl auf die Beine gebracht werden. SPD und CSU sind dabei besser dran („Wir haben sechs Jahre lang fleißig gespart“) als die FDP, für die ihr stellvertretender Kreisvorsitzender Leo Flach klagt: „Unsere Mittel sind knapp!“

Das Ringen um die Plätze im Rathaus wird sich wesentlich von den Auseinandersetzungen vor der Bundestagswahl 1965 unterscheiden. Wurden damals spektakuläre Kundgebungen mit politischer Prominenz von Rang und Gewicht bestritten, so sollen diesmal die Kandidaten nach altem Brauch „auf die Dörfer gehen“ und selbst ihren Mann stellen. Versammlungen in den einzelnen Stadtteilen stehen ebenso auf dem Programm der „großen Drei“ wie das Gespräch Auge um Auge mit dem Bürger bei Hausbesuchen.

Briefe für Versammlungs-Abstinenzler

Jede Fraktion hat auch ihre Lieblingskinder in den verschiedenen Berufsständen. Wie die SPD die Gewerkschaften, so pflegt die CSU das Handwerk und die FDP die Freien Berufe. Ein besonders Tauziehen wird erneut um die Jungwähler anheben, die mit der stattlichen Zahl von 30.000 ein vielumworbenes Stimmenreservoir darstellen.

Die Postboten müssen mit vollen Taschen von Haus zu Haus ziehen, je näher der 13. März kommt. Wurfzettel, Wählerbriefe und Broschüren sollen den Versammlungs-Abstinenzlern zeigen, was die einzelnen Parteien zu ihrem Ruhm zu sagen haben. Die SPD wird dabei erklären, daß sie „die fruchtbarste Stadtratsperiode wesentlich mit beeinflußt hat“, die CSU bietet ihre „Kraft als führende Bundes- und Landespartei zum Nutzen der Stadt“ an und die FDP will den Bürgern wegen ihrer knappen Kasse mehr durch Qualität als durch Quantität überzeugen.

Vom „Ahaa“ zum Maßhalten

Ob es zu einer Neuheit im Nürnberger Wahlkampf kommt, ist zur Stunde noch ungewiß. Die CSU hat die SPD zu einer Podiumsdiskussion unter neutraler Leitung herausgefordert, bei der „die Demokratie aus den Geheimkämmereien herausgenommen werden soll“. Die SPD will sich ohne Furcht stellen, macht aber zur Bedingung, daß die FDP bei dieser Gelegenheit auch zu Wort kommt. Ehe jedoch die Wahlkämpfer auf die Pauke hauen, erklingen noch für ein Weilchen die Trompetenstöße der Narren. Dem lebensfrohen Ausruf „Aha“ folgt aber sicher die Mahnung zum Maßhalten.

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