17. März 1966: Das überraschende Ende der Wahl

17.3.2016, 07:00 Uhr
17. März 1966: Das überraschende Ende der Wahl

© Gerardi

Sie hatte sich einen Tag zu früh als alleinige Siegerin unter den großen Parteien gefühlt. Diese Nachricht bildete eine kleine Sensation, als das Wahlergebnis gestern offiziell verkündet wurde.

Die 210.979 Nürnberger, die am Sonntag zu den Urnen gegangen waren, haben ihre 50 Stimmen wie folgt vergeben: CSU 2.806.678 (28,1 v. H.), SPD 5.128.059 (51,3 v. H.), FDP 693.321 (6,9 v. H.), BHE 74.630 (0,74 v. H.), DFU 212.733 (2,13 v. H.), NPD 725.688 (7,2 v. H), NWV 57.850 (0,58 v. H.), AUD 14.031 (0,14 v. H.) und CVD 274.704 (2,75 v. H.). Die Sozialdemokraten haben gegenüber 1960 ein halbes Prozent verloren, ihre Stellung jedoch behauptet. Die CSU konnte ihren Stimmenanteil um mehr als 2,5 Prozent vermehren, daraus aber keinen praktischen Nutzen ziehen.

Am meisten hat zweifellos die FDP eingebüßt, die sich mit vier statt bisher sieben Sitzen oder 6,9 statt 13,2 Prozent bescheiden muß. Davon haben offensichtlich die Nationaldemokraten profitiert, die – nach eigener Aussage – ohne kommunalpolitisches Konzept drei Vertreter in das Rathaus entsenden. Als weiterer Neuling taucht dort künftig die linksradikale Deutsche Friedensunion mit einem Mann auf.

Die meisten aller Stimmen heimste Bürgermeister Franz Haas als Spitzenkanditat der Sozialdemokraten ein: mit 213.722 liegt er 5.000 Stimmen vor dem Fraktionschef seiner Partei, Willy Prölß. Bei der CSU wertet es Dr. Oscar Schneider als persönlichen Erfolg, daß er sich mit 173.479 unangefochten an der Spitze seiner Liste behauptet hat, obwohl zu befürchten stand, daß ihn viele evangelische Wähler streichen würden. Bei der FDP widerfuhr Leo Flach das Mißgeschick, daß er von der aussichtsreichen zweiten Stelle aus den Sprung in den Stadttag nicht schaffen konnte.

Wie immer bei Kommunalwahlen verschoben sich die Positionen einzelner Kandidaten beachtlich gegenüber dem Vorschlag der Partei. Selbst bei der SPD mit den meisten Listenwählern wurde manche Bewerber weiter nach vorne gebracht, während andere zurückfielen. Der beachtlichste Vorstoß gelang bei der CSU Dr. Herbert Weisel, der vom 14. auf den 9. Platz „vorgewählt“ wurde.

Die drei großen Parteien haben gestern den Wählern ihren „aufrichtigen und herzlichen Dank“ ausgesprochen. Die Sozialdemokraten zeigten sich in einer ersten Stellungnahme erfreut drüber, daß die Bevölkerung „die Richtigkeit der bisher im Rathaus ausgeübten Kommunalpolitik“ bestätigt hat und daß es den anderen Parteien und Gruppen nicht gelungen ist, die absolute Mehrheit zu brechen. „Das Wahlergebnis bietet die Gewähr dafür, daß die bisher in unserer Stadt geleistete Arbeit tatkräftig fortgesetzt wird“, heißt es in einer Erklärung von Fraktionschef Willy Prölß.

Die CSU bedauert, daß über ein Drittel der wahlberechtigten Bevölkerung auf sein politisches Mitbestimmungsrecht verzichtet hat. Ihr Fraktionsvorsitzender, Dr. Oscar Schneider meint jedoch: „Die CSU ist aus dieser Wahl mit großem Abstand zu den üblichen Vorschlägen als die zweitstärkste Fraktion hervorgegangen und hat ihr bestes Ergebnis bei einer Stadtratswahl sei 1946 erzielt. Sie hat sich damit als ein zuverlässiges und stabiles Element der Demokratie in unserer Stadt erwiesen!“

Die Freien Demokraten bekennen freimütig: „Wir hatten keine Wahlerfolg“. Sie zeigen sich enttäuscht darüber, “daß sich rechtsradikale Kräfte in das Rathaus einschleichen konnten, weil sie mit allgemein politischen Phrasen von den Problemen abgelenkt haben, die im Rat der Stadt für unsere Nürnberger Bürger zu lösen sind.“

Die FDP stimmt mit den beiden erfolgreichen Fraktionen darin überein, daß sie ihr besonderes Augenmerk dem demokratischen Leben widmen will, das durch den Einzug der NPD gefährdet scheint. Auch Dr. Oscar Schneider erkennt die Aufgabe, „in der Zukunft in höherem Maße darüber zu wachen, daß das demokratische Werk im sachlichen Wettstreit fortgesetzt werden kann“. Der Chef der sozialdemokratischen Rathaus-Mehrheit, Willy Prölß, hat eindeutig wissen lassen, daß seine Fraktion in keinem Falle mit der NPD zusammenarbeiten wird. „Im Interesse des Ansehens unserer Stadt wollen wir dafür sorgen, daß auch künftig im Rathaus ein demokratischer Geist gewahrt bleibt“, stellte er fest.

Fünfzig Männer und Frauen sind gewählt. Sie werden in den nächsten sechs Jahren die Geschicke dieser Stadt lenken und leiten. Eine schwere Verantwortung lastet auf ihnen.

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