18. August 1966: Diebe holen Kohl von den Fluren

18.8.2016, 07:30 Uhr
18. August 1966: Diebe holen Kohl von den Fluren

© Gerardi

In den nassen Lagern ist sogar alles zugrunde gegangen: Wirsing und Blaukraut, Kohlrabi, gelbe Rüben und Frühkartoffeln. Außerdem beobachten die Bauern mißvergnügt, daß die Felddiebstähle erschreckend zunehmen. Immer mehr Nürnberger bedienen sich wie zur finsteren Kriegs- und Nachkriegszeit als "Selbstversorger" auf den Fluren vor den Toren der Stadt.

18. August 1966: Diebe holen Kohl von den Fluren

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Dabei hatte die Saison so hoffnungsvoll begonnen. Petrus hatte zur Spargelzeit das erwünschte warme Wetter geschickt, so daß den Liebhabern genügend von den edlen Stengeln angeboten werden konnten und bei den Erzeuger die Kasse stimmte. Damals hatte freilich noch niemand ahnen können, daß der Spargel so ziemlich die einzige Freude der Bauern bleiben sollten.

Plötzlich hohe Temperaturen

Die hohen Temperaturen schadeten jedoch dem Gemüse und noch mehr dem Salat, der – sofern er die vorangegangen Hagelschauer überstanden hatte – plötzlich in die Höhe schoß. Danach kam die "Regenzeit", die allein in der zweiten Junihälfte rund 77 Liter Wasser auf jeden Quadratmeter Boden goß. In den tiefer gelegenen Feldern stand bald knöcheltief das Wasser. "Alles Kraut auf den nassen Lagen ist kaputtgegangen", berichtet Hans Link aus Buch, einer der Wortführer der Bauern. "Frühkartoffeln wurden von der Krautfäule heimgesucht. Über die Hälfte war hin", fährt er fort und erzählt von den gelben Rüben, die auf den Fluren bei Lohe "ersoffen" sind. Mit etwa 50 v. H. Ausfall müssen die Bauern auch bei den Freilandgurken rechen, die bei der Kühle und Feuchtigkeit nicht recht gedeihen wollten.

Nun hat am letzten Wochenende das Wetter den Bauern erneut einen bösen Streich gespielt. Der kurze Sonnenschein genügte bereits, um den Blumenkohl auf einmal reifen zu lassen, der erst in den nächsten drei bis vier Wochen nach und nach kommen sollte. Das feine Gemüse war jedoch in diesen Mengen und bei der großen Hitze – das Quecksilber kletterte in Nürnberg auf 34,7 Grad – nicht gefragt. Es mußte zum Teil eingepflügt werden.

Humor nicht verloren

Trotz der Enttäuschungen am laufenden Band habe die Bauern ihren Humor nicht verloren. Sie freuen sich drüber, daß es zur Zeit Bohnen von ausgezeichneter Qualität gibt, der Salat wieder schön auf dem Acker steht und die Rettiche zu wahren Prachtexemplaren herangewachsen sind und – zusammen mit einem kühlen Bier und einem Butterbrot – einen herzhaften Genuß versprechen.

Die Bauern aber ärgern sich um so mehr über manche Städter, die sich auf den Fluren wie in einem Selbstbedienungsladen benehmen und sich – oft bei Nacht und Nebel – mit den frischen Köstlichkeiten des Gemüselandes eindecken. "Wie heuer gestohlen wird, das ist noch nie dagewesen, auch 1947 nicht!", meint Hans Link, der selbst zu den Betroffenen zählt. Über Nacht verschwanden von einem seiner Felder Blumenkohlköpfe für etwa 40 DM. Bei einem Bekannten "ernteten" unbekannte Diebe Blaukraut kostenlos.

Der Bucher Bauer glaubt, daß diese "Selbstversorger" offenbar knapp bei Kasse sind. "Urlaub an der Costa Brava können sie sich leisten, aber keinen Krautskopf", begründetet er seine Theorie, die keineswegs so abwegig erscheint.

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