18. Mai 1966: Auf fremder Scholle

18.5.2016, 13:40 Uhr
18. Mai 1966: Auf fremder Scholle

© Kammler

Die meisten Hinterhofer haben die "Vertreibung" überstanden und wieder Fuß gefaßt. Den Alten aber ist es schwergefallen, noch einmal Wurzeln zu schlagen. Ein Paradesbeispiel für die Vorteile, neu anfangen zu können, bietet das Landwirtsehepaar Christoph und Christine L. Am 18. September vorigen Jahres übernahm es einen modernen Aussiedlungshof in Krottenbach. Nicht weniger als acht Generationen dieser Familie hatten über Jahrhunderte hinweg in Hinterhof ihre Felder bestellt. Die Tochter, die vor vierzehn Tagen das Licht der Welt erblickte, ist bereits eine Krottenbacherin.

Voll Stolz zeigt Christine L. Ihre rationell eingerichtete Küche. "Ich möchte hier nicht mehr weg", bekennt sie. "Hier ist alles viel großzügiger." Es ist in der Tat so: zu dem schmucken Wohnhaus gehört ein Balkon, eine Terrasse – das Vieh ist in modernen Ställen untergebracht. Die landwirtschaftliche Fläche ist mit 4,5 Hektar doppelt so groß als vorher.

Zufrieden ist Landwirt Christoph L. auch über die Aufnahme in Krottenbach. "Wir fühlten uns von Anfang an nicht wie Außenseiter. Alle sind freundlich zu uns", freut er sich. Weniger begeistert ist sein Vater. Obwohl er sich dem Fortschritt nicht verschließt, hält er es mit dem Sprichwort: Einen alten Baum soll man nicht verpflanzen.

Eine der wenigen Familien, die noch in Hinterhof leben, ist das Landwirtsehepaar Hans und Anneliese M. Wenn im Herbst die Felder abgeerntet sind, wird es die Landwirtschaft aufgeben. Es hatte zwar Aussiedlungshöfe in der Steinpfalz und in Niederbayern angeboten bekommen, aber das wäre zu weit weg gewesen, und ein älteres Anwesen in Krottenbach wollte es nicht übernehmen. Anneliese M. ist über die Entwicklung nicht böse. "Da bekomme ich ein schöneres Leben", sagt sie. Die Eheleute bauen zur Zeit in Katzwang auf einem Erbgrundstück ein Mietzinshaus, auf einem Bauplatz in Reichelsdorf, den die Stadt im Austauschverfahren bereitstellte, wird ein Familienwohnheim entstehen.

Problematisch ist der Fall der 74jährigen Witwe Margarethe T. Zusammen mit ihrer Tochter bewohnt sie ein kleines Häuschen an der Straße nach Eibach, das ihr keinen großen Komfort bietet, aber eine sichere Bleibe für den Lebensabend gewesen wäre. Zugegeben, 28.000 DM, die ihr die Stadt als Ablösesumme bezahlt, sind viel Geld. Verständlich ist jedoch der Wunsch der alten Frau, die seit 1938 in ihrem Heim und auf dem kleinen Grundstück schalten und walten konnte wie es ihr behagte, nach einem gleichwertigen Ersatz. Ob ihn die Stadt findet?

Doch dieser Fall steht nicht für viele. Natürlich wußten alle, was sie in Hinterhof hatten, und die Aussiedlung war für sie erst einmal ein Schritt ins Ungewisse, aber inzwischen haben sie sich an die neue Umgebung gewöhnt. Schmucke Familienhäuser und neue Geschäfte versüßen vieles – auch wenn der neue Start bei manchen mit Schulden erfolgte…

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