18. Oktober 1966: Autos kreisen ums Geschäftszentrum

18.10.2016, 07:00 Uhr
18. Oktober 1966: Autos kreisen ums Geschäftszentrum

© Ulrich

Denn mit 5.000 Nägeln, 135 Verkehrszeichen, sechs Signalanlagen und 2.000 Meter weißer Markierungslinie entstand der seit Monaten angekündigte Einbahnring, der – ausgehend von der Lorenzkirche – in groben Zügen zum Weißen Turm und zum Jakobsplatz führt, dort einen Halbkreis beschreibt und über die Nadlers- und Kohlengasse sowie über die Jakobstraße den Kornmarkt und den Hallplatz erreicht. Die weiterhin in beiden Richtungen befahrbare Königstraße schließt den ausgetüftelten Kreisel.

Allenthalben waren in den letzten Wochen städtische Arbeitskolonnen mit den Vorbereitungen auf den „Tag X“ beschäftigt. Auf die Fahrbahnen wurden neue Markierungen aufgetragen, neue Verkehrszeichen aufgestellt, so daß sie im Handumdrehen wirksam werden können, Gehsteige und Straßen mußten sich kleinere Korrekturen gefallen lassen und die Signalanlagen überstanden eine letzte Probe. Nun steht für übermorgen alles „Gewehr bei Fuß“.

18. Oktober 1966: Autos kreisen ums Geschäftszentrum

© Ulrich

Nach einem genauen Schlachtplan beginnt kurz nach acht Uhr, wenn der ärgste Berufsverkehr abgeflaut ist, die Umstellung, wegen der sich die Autofahrer eine Reihe von Neuerungen ins Stammbuch schreiben müssen. Zwischen St. Lorenz und St. Jakob bekommen Karolinenstraße, Hefnersplatz und Ludwigstraße eine Einbahnbeschilderung in Ost-West-Richtung verpaßt, während die Jakobstraße und der Hallplatz den in der entgegengesetzten Richtung rollenden Verkehr aufnehmen.

Die motorisierten Verkehrsteilnehmer müssen sich obendrein an folgende Änderungen an den großen Brennpunkten gewöhnen: Weil der Verkehr vom Kornmarkt nur noch nach Osten fließt, gehört das Einbiegen von der Königstraße in den Hallplatz der Vergangenheit an. An der Einmündung des Hallplatzes in die Königstraße gibt es dagegen für die „Einbahnfahrer“ Erleichterung, die zur Theatergasse streben. Kleine Fahrbahnkorrekturen genügten, um den Kolonnen das bisherige Fahren in Schlangenlinien zu ersparen.

Mehr Platz für Fußgänger

Den Fußgängen und VAG-Kunden aber steht ab Donnerstag mehr Platz zur Verfügung. Der Einbahnring bietet an der Haltestelle Lorenzkirche mehr Ellenbogenfreiheit, weil dann auch die jetzige Fahrbahn auf der Südseite der Karolinenstraße betreten werden kann. Außerdem wird die Grünphase der Signalanlage länger, so daß mehr Zeit zum Überqueren der Karolinenstraße bleibt und zwei Straßenbahnzüge auf einmal über die Kreuzung kommen.

Auch am Weißen Turm gehört die südliche Fahrbahn beim Kaufhaus C & A Brenninkmeyer den Passanten, denen sich gar erst in der Breiten Gasse und in der ganzen Pfannenschmiedsgasse ein Dorado auftut. Sie müssen sich allerdings den Platz mit den Lieferautos teilen, die von 0 bis 11 Uhr, von 13 bis 15 Uhr und ab 19 Uhr die „verbotene Zone“ ansteuern dürfen.

Die Verkehrsfachleute haben den Lieferanten mehrere Möglichkeiten gelassen. So kann beispielsweise die Breite Gasse über die Färberstraße oder die Brunnengasse angefahren und über den Weißen Turm oder die Pfannenschmiedsgasse verlassen werden. Ein schmaler Durchlaß bleibt obendrein über das Heldengäßchen.

Den Autofahrern wird die Umstellung freilich nicht leicht fallen. „Da und dort wird‘s Schwierigkeiten geben, vor allem, was die Einheimischen angeht, die dann sagen: „da bin i doch gestern no g‘fahrn, darf i denn heut nimmer?“, meint Oberbaudirektor Karl Schaller vom Tiefbauamt. Aber er rechnet mit der Disziplin und der Pfiffigkeit, die die Nürnberger am Steuer bisher bei allen schwierigen Operationen an den Tag gelegt haben.

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