19. Dezember 1967: Frau Minister stand ihren Mann

19.12.2017, 07:00 Uhr
19. Dezember 1967: Frau Minister stand ihren Mann

© Kammler

In der vierten Folge der NN-Veranstaltungsreihe "Zu Gast bei..." geriet sie unversehens in heftiges Kreuzfeuer. Es mag vor allem daran gelegen haben, daß die politisch engagierte Frau – wie jedermann weiß – eingeborene "Gartenstädterin" ist und von den Bürgern deshalb als ihresgleichen betrachtet wird. Da fiel es ihnen leichter, sich die Sorgen vom Herzen zu reden, als wenn irgendein anderes "hohes Viech" aus der Bundespolitik auf der Bühne gesessen hätte.

Die Frau Bundesminister enttäuschte dafür ihr Publikum nicht. Sie nahm sich wie die Fragesteller bei ihren Antworten kein Blatt vor den Mund und zeigte sich in vielen Sätteln gerecht: ob es nun um‘s väterliche Lächeln des Bundeskanzlers ging oder um die Anti-Baby-Pillen für die unverheiratete Frau. Wie bei den anderen Kandidaten vordem, hatte Redakteur Walter Schatz als Gesprächsleiter den Abend mit einer Frage eröffnet: "Wie wird man Minister?" Käte Strobel – "ch hab nicht zu den Dümmsten gehört" – wußte es nicht genau.

"Da gibt‘s kein Rezept. Ich bin höchstens der Beweis, daß man so etwas auch als Volksschülerin werden kann. Wenn man Einfluß nehmen will auf das Geschehen in Politik und Öffentlichkeit, muß man sich engagieren. Das habe ich erkannt und danach habe ich gehandelt." Also, doch ein Rezept! Und, so meinte der Gesprächsleiter, auch ein Vertrauensbeweis für die Nürnberger Volksschulen.

Frage: "Was tut die Bundesregierung zur Reinhaltung der Luft und des Wassers?"

Käte Strobel: "Was die Reinhaltung angeht, so haben wir heute Richtlinien, die von den technischen Möglichkeiten ausgehen und auf dem Wirtschaftsrecht fußen. ‚Soweit es wirtschaftlich tragbar ist‛, steht darin. Ich stehe auf dem Standpunkt: ‚Was gesundheitlich notwendig und technisch möglich ist, muß wirtschaftlich möglich sein‛. Nach diesem Grundsatz erarbeiten wir ein Gesetz. Darüber hinaus bemühen wir uns um europäische Vereinbarungen“.

Frage: "Was geschieht, um giftige Stoffe aus den Nahrungsmitteln zu verbannen?"

19. Dezember 1967: Frau Minister stand ihren Mann

© Kammler

Käte Strobel: "Man könnte fast meinen, die Frage habe ich bestellt. Denn die Nürnberger wissen ja, daß ich mich um gesunde Nahrung bemüht habe. Aber zur Sache: am 1. Januar 1968 tritt eine Verordnung in Kraft, in der aufgezählt wird, welche Schädlingsbekämpfungs- und Pflanzenschutzmittel verwendet werden und welche Rückstände noch vorhanden sein dürfen, wenn die Nahrung auf den Markt kommt. Nach der Verordnung gibt es noch 76 solcher Mittel. Von 14 davon darf überhaupt kein Rückstand auf der Nahrung sein, so daß praktisch 62 übrigbleiben von über 200, die vorher im Handel waren. Ganz verzichten können wir auf die Schädlingsbekämpfungs- und Pflanzenschutzmittel freilich nicht."

Frage: "Wie fühlt man sich als SPD-Minister im Kabinett, wenn man vorher in der Opposition gewesen ist?"

An die Verantwortung gewöhnen

Käte Strobel: "Ich würde sagen, die Regierungsbank ist nicht weicher. Es ist natürlich so, daß eine Partei, die 30 Jahre lang nicht an der Regierung war, sich erst an den Zustand gewöhnen muß, Regierungsverantwortung zu tragen. So, wie sich auch die CDU/CSU erst daran gewöhnen muß, einen großen Koalitionspartner zu haben, mit dem man nicht mehr so umgehen kann wie mit einem kleinen."

Frage: "Wie leben Sie als Minister in Bonn? Wie lebt Ihr Mann die Woche über in Nürnberg?"

Käte Strobel: "Ich hab in Bonn seit zehn Jahren eine Ein-Zimmer-Wohnung. Ich komm ja eh bloß zum Schlafen nach Haus. In Nürnberg haben wir eine Etagenwohnung in der Gartenstadt. Und wenn S‘ es genau wissen wollen: zweimal in der Woche kommt eine Frau und macht sauber. Im übrigen ist mein Mann ein Mensch, der sich zu helfen weiß!"

Frage: "Wir sehen immer den Kanzler lächelnd auf dem Bildschirm. Bitte, erzählen Sie uns etwas über Kurt-Georg Kiesinger. Und meinen Sie nicht, er könnte bei den Wahlen 1969 der SPD die Show stehlen?"

Käte Strobel: "Das ist schwierig. Ich würde sagen, daß ich im Kabinett nicht selten bei ihm eine Meinung gefunden habe, über die wir als SPD-Partner diskutieren konnten. Ich würde sagen, er hat es bei seiner eigenen Partei oft schwer, die Dinge durchzusetzen. Für 1969 hoffe ich, daß bis dahin deutlicher geworden ist, daß das Regierungsergebnis von beiden Parteien erarbeitet worden ist und in dieser Koalition die Beschlüsse auf gemeinsamen Diskussionen beruhen, nicht auf einsamen Entschlüssen des Kanzlers!"

Bewußte Elternschaft möglich

Frage: "Was meinen Sie: darf eine unverheiratete Frau Anti-Baby-Pillen nehmen?"

Käte Strobel: "Ich habe keinen Hehl aus meiner Meinung gemacht, daß die Pille nicht unter dem Gesichtspunkt des Verheiratetseins oder Nichtverheiratetseins betrachtet werden muß, sondern unter dem Gesichtspunkt, daß durch sie eine bewußte Elternschaft möglich wird und Eltern, die keinen Nachwuchs wünschen, auch keinen bekommen. Und im übrigen: je mehr davon Gebrauch gemacht wird, desto mehr geht hoffentlich die Dunkelziffer bei den Abtreibungen zurück. Daß die Anti-Baby-Pille rezeptpflichtig ist, hängt nicht damit zusammen, daß sie eine unverheiratete Frau nicht bekommen soll. Sie enthält Stoffe, die auf den Hormon-Haushalt wirken. Deshalb ist sie rezeptpflichtig."

Frau Bundesgesundheitsminister gab auf jede Frage eine klare Antwort. Sie befriedigte auch solche Besucher, die persönliche Anliegen vortrugen: leidgeprüfte Eltern, deren Kind einen schweren Impfschaden davongetragen hat, Menschen, denen die Wohnung gekündigt worden ist. "Hut ab vor der Käte", murmelte ein Zuhörer beim Hinausgehen. Das ist ein hohes Lob, denn die Nürnberger sind nicht gerade großzügig, wenn es ans Verteilen von Komplimenten geht. Aber die Nürnbergerin in Bonn hat sich dieses Kompliment gestern abend wohl verdient.

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