19. März 1965: Mehr Unfälle an den Zebrastreifen

19.3.2015, 07:00 Uhr
19. März 1965: Mehr Unfälle an den Zebrastreifen

© Gerardi

Als besonders gefährlich erweisen sich markierte Überwege ohne Ampeln, weil es bisher noch kein Mittel gibt, sie deutlich erkennbar zu machen. Diese Tatsache hat auch dazu beigetragen, daß neuerdings an den meisten Unfällen die Autofahrer schuld sind. Dennoch wird sich an dem bestehenden Zustand vorerst nichts ändern: das bayerische Innenministerium hat es den Gemeinden untersagt, an solchen Stellen andere Zeichen als das Schild mit dem Männchen anzubringen.

19. März 1965: Mehr Unfälle an den Zebrastreifen

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Mit einem drastischen Schritt soll die Gefahr für die Fußgänger in den Ausfallstraßen mit Zebrastreifen ohne Lichtsignale gemildert werden. Die Höchstgeschwindigkeit für Fahrzeuge wird dort auf 50 Stundenkilometer herabgesetzt. Aber die markierten Überwege, ob mit oder ohne Ampeln, bleiben ein Problem; das mußte der Leiter des Stadtplanungsamtes, Oberbaurat Diether Kohler, gestern dem Verkehrsausschuß des Stadtrats klipp und klar sagen. In der nächsten Woche unternehmen daher Fachleute eigens eine Rundfahrt, bei der festgestellt werden soll, ob die Zebrastreifen in Nürnberg den gesetzlichen Vorschriften entsprechen, was möglicherweise zu ändern ist und welche „Zebras“ wegfallen müssen. Diese „Verkehrsschau“ ist von der Regierung von Mittelfranken angeordnet worden.

Die Schutzpolizei hat im Oktober vorigen Jahres einmal überprüft, wie es um die Fußgänger-Überwege bestellt ist. Dabei kam heraus, daß mit Abstand die meisten weder Ampeln noch das berühmte Bild 4a (Männchen) haben. Im Stadtgebiet gibt es 89 Überwege an Kreuzungen mit Lichtsignalen, 11 mit Druckknopf-Ampeln, 72 nur mit Zebrastreifen und Verkehrszeichen (Bild 4a) und 214 allein mit Zebrastreifen ohne jeden anderen Hinweis. Und gerade an jenen Überwegen, die nur durch die weißen Linien auf der Fahrbahn gekennzeichnet sind, haben sich die Unfälle gehäuft.

Fußgänger ziehen Zebrastreifen vor

„Es handelt sich weder vor noch nach Einführung der Lex Zebra um absolut hohe Unfallzahlen“, meint zwar das Stadtplanungsamt, aber es stimmt doch bedenklich, daß nahezu dreimal so viel Menschen an solchen Stellen verunglückt sind, nachdem den Fußgängern dort das Vorrecht vor dem übrigen Verkehr eingeräumt worden ist. Waren es von Juni bis Oktober 1963 elf Personen gewesen (das macht 0,3 v. H. aller Unfälle aus), so ist diese Zahl in der gleichen Zeit des Vorjahres auf 34 – oder 0,8 v. H. der Gesamtunfälle – gestiegen.

Beschwichtigend wird dazu mitgeteilt, daß der Verkehr und die Unfälle in dem einen Jahr ohnehin zugenommen haben und daß offenbar mehr Fußgänger die Zebrastreifen benutzen. Tatsächlich haben die Unfälle beim Überschreiten der Fahrbahn außerhalb der offiziellen Überwege auffallend abgenommen: von 1968 im Jahre 1963 auf 120. Trotz allem aber machen die Zebrastreifen den verantwortlichen Männern für den Großstadtverkehr viel Kopfzerbrechen. Fällt beispielsweise an Überwegen mit Ampeln das Rot-Signal für Fußgänger aus, so können Passanten in Lebensgefahr geraten, weil gleichzeitig der Autoverkehr Grün hat. Es würde für jede Anlage 2000 Mark kosten, eine Sicherung einzubauen, die in einem solchen Falle die ganze Ampel ausschaltet.

An Zebrastreifen ohne Lichtsignale bleibt die Sache problematisch, weil der Vorrang des Fußgängers nicht uneingeschränkt gilt, denn Schienenfahrzeuge wie die Straßenbahn haben auch dort Vorfahrt, weil die Überwege bei Nebel, Schnee und Dunkelheit nicht ausreichend erkennbar sind und weil Fußgänger aus Gewohnheit auch über abgefahrene Zebras gehen, die für den motorisierten Verkehrsteilnehmer praktisch nicht vorhanden sind.

In anderen Städten hat man sich damit geholfen, schwarzweiße Balken als zusätzliche Warnung am Fahrbahnrand aufzustellen, Fußgänger durch Lichtschleusen zu schicken, das Bild mit dem Männchen zu beleuchten und Kugelblinker aufblitzen zu lassen. Das bayerische Innenministerium will solches Beiwerk nicht, weil es sich – wie die Nürnberger auch – auf den Standpunkt stellt, daß der Bund die Sache einheitlich regeln sollte. Dies führt allerdings dazu, daß etwa Oberbaudirektor Karl Schaller, der Leiter des Tiefbauamtes, ausrief: „Wir wissen langsam nicht mehr, was wir tun sollen!“

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