20. Januar 1966: Das Krankenhaus der Zukunft

20.1.2016, 07:00 Uhr
20. Januar 1966: Das Krankenhaus der Zukunft

© Gerardi

Mit dem ersten Spatenstich für dieses zweite Krankenhaus ist zwar nicht vor 1967 zu rechnen, aber jetzt zeichnet sich wenigstens ein Ende der Bettennot ab. Der Gedanke an einen Neubau tauchte schon im Jahre 1954 auf, als erkannt wurde, daß die Krankenanstalten an der Flurstraße über die bestehenden Pläne hinaus nicht mehr erweitert werden können. Mit 2.600 Betten bilden sie heute schon den größten geschlossenen Klinikkomplex in der Bundesrepublik und bieten für weitere Gebäude kaum noch Raum. Von allem Anfang an hatte der Stadtrat für das zweite Krankenhaus einen Standort nahe Langwasser im Auge, weil dort später einmal 60.000 Menschen wohnen werden.

Wenn seit den ersten Ideen an ein solches Projekt zehn Jahre ins Land gegangen sind, so waren sie angefüllt mit Vorarbeiten. Lange Zeit stellte der Wunsch der Stadt nach einem Grundstückstausch vom Gebiet beim Zollhaus an die Breslauer Straße einen Zankapfel mit dem bayerischen Staat dar. Andererseits sollte dieses Krankenhaus auf jungfräulichem Boden tatsächlich so geplant werden, daß es nicht nur den Anforderungen von heute, sondern auch schon von morgen entspricht. Eine Kommission des Stadtrates unternahm daher Studienreisen zu vorbildlichen Klinikbauten und anderen Städten der Bundesrepublik und Europas; die Chefärzte wurden gehört, Gutachten der Technischen Universität Berlin eingeholt und alle Erfahrungen der Vergangenheit ausgewertet. „Wir wollten kein Krankenhaus von der Stange, sondern eines nach den besonderen Bedürfnissen unserer Stadt“, sagte Sozialreferent Dr. Max Thoma.

Bei der Planung wurde besonderer Wert darauf gelegt, alle Möglichkeiten des medizinischen Fortschritts zu berücksichtigen und trotzdem zu einer wirtschaftlichen Lösung zu kommen. Das Problem des Schwesternmangels spielte eine eigene Rolle bei den Überlegungen. Als gestern das Raum- und Betriebsprogramm vorgelegt wurde, zollten Sprecher der Fraktionen der gründlichen Vorarbeit hohes Lob. Über die Notwendigkeit des Krankenhausbaues hatte es ohnehin nie irgendwelche Meinungsverschiedenheiten gegeben.

Das Hochbauamt führte den Stadträten ein Studienmodell vor Augen, das nicht allein wegen seiner modernen Architektur überrascht, sondern auch den Gedanken der Krankenhausverwaltung voll entspricht. Das wesentliche Merkmal zeigt sich daran, daß Behandlungsräume und Bettenhäuser streng getrennt sind. Die Kliniken sind klein und übersichtlich gehalten. Den Ansprüchen der Patienten wird durch Drei-Bett-Zimmer genügt, wobei zwischen je zwei Räumen eine sogenannte Naßzone mit den sanitären Einrichtungen liegt.

Um Geld zu sparen, wird in dem neuen Krankenhaus auf manche Einrichtungen wie beispielsweise eine Blutbank verzichtet, weil sie in den Anstalten an der Flurstraße schon vorhanden sind. Im ersten Bauabschnitt werden die Sockelgeschosse mit den Funktionsräumen wie Operationssälen, Röntgenabteilung und Laboratorien errichtet. An den Flanken entsteht ein Hochhaus für die Medizinische Klinik mit 238 Betten, die Chirurgische Klinik mit 234 Betten und die Frauenklinik mit 166 Betten. Einen eigenen Trakt bekommt die Kinderklinik, in die 150 Patienten aufgenommen werden können. Erst später soll ein Alterskrankenhaus mit 200 Betten gebaut werden.

Drei Hochhäuser nahe dem Komplex sollen einen Anziehungspunkt für Schwestern darstellen; Bungalows sind für die Ärzte gedacht. Die ganze Anlage auf dem Gelände zwischen Breslauer, Gleiwitzer und Brieger Straße wird so geschickt in ihre grüne Umgebung eingebettet, daß kein Verkehrslärm störend an sie herandringen kann. Obwohl gestern allgemein erst von einem vorläufigen Entwurf gesprochen wurde, sind Raum- und Betriebsprogramm schon bis ins „tz“ ausgetüftelt.

Staatliche Hilfe erforderlich

Das ganze Projekt wird einen umbauten Raum von 30.000 Kubikmeter umfassen. Das Grundstück ist 5,9 Hektar groß, so daß theoretisch auf jedes Krankenhausbett 159 Quadratmeter entfallen. Auf eine „große Unbekannte“ in der Planung machte Baureferent Schmeißner aufmerksam: für den Luftschutz sind noch keine Räume vorgesehen, weil die entsprechenden Richtlinien fehlen. In der Frage der Kosten wollte sich Schmeißner zwar noch nicht festlegen, er nannte jedoch die Zahl von 100.000 Mark pro Krankenbett, wobei alle übrigen Einrichtungen darauf mit angerechnet sind. Bei 1.000 Betten ergibt sich die riesige Summe von 100 Millionen Mark.

So einhellig das Plenum dem Programm zustimmte und damit den Startschuß für die weitere Planung gab, so einhellig war auch der Ruf nach staatlicher Hilfe. „Bei der angespannten Finanzlage der Stadt sind Staatszuschüsse unbedingt erforderlich“, erklärte Käte Reichert als Sprecherin der SPD. Ihre Kollegen Rudolf Macher und Hermann Wiesel von der CSU und FDP pflichteten ihr bei und zeigten sich auch voll des Lobes über die Entwürfe. Macher gab noch zu bedenken, ob nicht auch ein Personal-Kindergarten eingerichtet werden soll, damit verheiratete Schwestern möglicherweise wieder zum Dienst antreten. Die Hoffnungen auf einen Staatszuschuß werden von dem Versprechen des bayerischen Finanzministers Dr. Pöhner genährt, der ein Drittel der Krankenhauskosten in Aussicht gestellt hat.

In einem Dringlichkeitsantrag forderte danach CSU-Fraktionschef Dr. Oscar Schneider, daß die Stadt unverzüglich mit dem Kultusministerium darüber verhandeln soll, ob die Krankenanstalten in den Lehr- und Forschungsbetrieb der Universität einbezogen werden können. Er begründete seinen Wunsch damit, daß die Stadt München mit ähnlichen Bestrebungen beim bayerischen Ministerrat auf Verständnis zu stoßen scheint. Obwohl frühere Vorstöße aus Nürnberg an der Haltung der Erlanger Universität gescheitert sind, wurde Oberbürgermeister Dr. Urschlechter beauftragt, neue Verhandlungen mit dem Kultusministerium und der Erlanger Universität aufzunehmen.

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