20. Juli 1965: Bierbrauer statt Weber

20.7.2015, 07:07 Uhr
20. Juli 1965: Bierbrauer statt Weber

© Gerardi

Dabei mutet die Geschichte die ihn zur Tucher-Brauerei führte, wie ein Schwank an: über die Verbindungsstelle „Deutschfreundliche Togo-Leute“ hat Adolphe die Adresse „Tucher, Nürnberg“ erhalten und sogleich an sie geschrieben. „Ich interessiere mich an Weber!“ heißt es in seinem Bewerbungsbrief Nummer eins, denn der junge Mann aus Togo hatte angenommen, daß „Tucher“ gleichbedeutend ist mit einer Tuchmacherei . . .

Das Antwortschreien klärte ihn auf: „Wir bestätigen Ihre Anfrage wegen einer Lehrstelle. Da wir eine Brauerei sind, können wir keine Lehrstelle für Weber vergeben. Das ist ein Beruf der Textilbranche. Wir könnten Ihnen nur helfen, wenn Sie Bierbrauer oder Mälzer werden wollten . . .“ Vier Tage später setzte Adolphe in Lome einen neuen Brief auf: „Ich habe alles, was Sie mir gesagt haben, gut verstanden und daran getraut. Jetzt interessiere ich mich an Bierbrauer, das ist auch ein gutes Werk!“

In der Geschäftsleitung an der Langen Gasse 26 wurde ob dieses Wandels in Adolphes Berufsträumen geschmunzelt. „Nun gut“, entschied man, „jetzt soll er kommen!“ Die offiziellen Bescheinigungen wurden abgeschickt, und der damals 24jährige jubelte: „In Togo haben mir zwei Deutsche von Ihrer Firma erzählt, daß Sie gute Arbeiter sind; darum will ich auch bei Euch arbeiten. Mit vielen, guten Grüßen Ihr lieber Adolphe!“ Im nächsten Brief aus dem schwarzen Erdteil kommt der Seufzer aus Glück: „Ah! Alle meine Gedanken sind in Nürnberg, und ich schlafe nicht mehr in der Nacht!“

Sobald er sich mit dem Postdampfer nach Marseille eingeschifft hatte, fand Adolphe seinen Schlaf wieder. Aus großen, dunklen Kulleraugen strahlend, macht er in der Brauerei, deren Schutzzeichen einen Mohrenkopf darstellt – es ist seit 1855 im Wappen der Freiherren von Tucher und wird auf die Teilnahme des Geschlechts an den Kreuzzügen zurückgeführt – seinen Antrittsbesuch. Das Mitbringsel: ein Sack voll Kokosnüsse.

Seitdem sind acht Monate vergangen, und nur ab und zu verlangt Adolphe noch nach Hirsebrei, seiner heimatlichen Kost. Jetzt schmeckt ihm auch ein Schinkenbrot, zumal er sich dazu einen kräftigen Schluck Gerstensaft gönnen kann. Scherzworte fallen hin und her, der stämmige Lehrling mit dem Krauskopf mischt eifrig mit. Und auch nach Feierabend bleiben immer wieder Kollegen mit ihrem schwarzen Freund zusammen.

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