20. Oktober 1965: Butter bald mit Datum

20.10.2015, 07:00 Uhr
20. Oktober 1965: Butter bald mit Datum

© Gerardi

Die Nürnberger Hersteller versichern jedoch: „Wir haben bisher schon nur frische Butter in den Verkauf gegeben und werden es weiter so halten!“ Die neue Verordnung ist von allem Anfang an auf Kritik gestoßen. Die Verbraucher wenden gegen sie ein, daß der Aufdruck des „Ausformungs-Tages“ sie nicht schlauer macht; die Fachleute bemängeln, daß das offene Datum keinen Maßstab für das Alter und die Qualität der Butter gibt. „Es ist durchaus möglich, daß Kühlhausbutter schon sechs Monate lagert, heute aber erst geformt wird“, erklärte Direktor Stephan Hartl als Sprecher aller Molkereien im Nürnberger Raum (Albflor-Milchwerke, Bayerische Milchversorgung, Dampfmolkerei Ammerndorf, Milchhof Nürnberg).

Trotz solcher Unzulänglichkeiten sehen die milchverarbeitenden Betriebe keinen Anlaß, der Verordnung feindlich gegenüberzustehen. „Bei uns in Nürnberg ändert sich gar nichts, weil wir den Markt seit eh und je aus frischer Produktion versorgen“, wurde beteuert. Butterhalden gäbe es um so weniger, als aus diesem Raum ständig nach Berlin, Nord- und Westdeutschland geliefert wird.

Einige Sorgen machen sich die Molkereien nur um den Handel. Er erlebt es bei der Milch immer wieder, daß Flaschen mit dem Aufdruck von gestern schon heute nicht mehr abgenommen werden, obwohl sie im Kühlschrank acht Tage und noch länger „halten“. „Wir befürchten, daß Kunden an einem Butterpäckchen herumnörgeln, wenn es ein paar Tage alt ist“, meinte Direktor Hartl. Dabei bekomme die Butter erst nach etwa zehn Tagen ihren vollen Geschmack und das richtige Aroma. Dies wollten die Fachleute gestern nicht nur behaupten, sondern auch beweisen.

Sie hatten Vertreterinnen des Hausfrauenbundes und der Verbrauchergemeinschaft zu einer Probe geladen, bei der aus Päckchen genascht werden durfte, die von zwei Tagen bis zu vier Monaten alt waren. Die Nase und der Gaumen sollten strenge Richter über Geruch und Geschmack sein. Vor den Laien hatten schon Sachverständige die Probe aufs Exempel gemacht, das Ergebnis jedoch nicht verraten, wie der Hauptgeschäftsführer des milchwirtschaftlichen Vereins, Kurt Bertram, beteuerte.

Auch im Handel frische Ware

Der überraschende Ausgang des Tests: bei acht von zehn Proben stimmten die biederen Hausfrauen in ihrem Urteil mit den sachkundigen Männern vom Fach überein. Die zwei Tage alte Butter erhielt nicht die höchste Punktzahl, ein vier Monate altes Erzeugnis, das vor fünf Tagen aus dem Kühlhaus geholt worden war, wurde als Markenware mit allen dazugehörigen Prädikaten gekennzeichnet.

Beide Gruppen setzten auch eine drei Tage alte Butter schwer herunter, die absichtlich und ganz bewußt hergestellt worden ist. „Ältere Butter kann genauso gut sein wie ein frisches Erzeugnis, umgekehrt kann auch frische Butter schlecht schmecken“, sagte Kurt Bertram in einer Bilanz. In jedem Falle aber wollen die Molkereien den Nürnbergern und ihren Kunden im Großraum gute und frische Ware auf den Tisch bringen. Ihre Sprecher erklärten: „Wir liefern zwei- bis dreimal in der Woche auch kleinste Mengen aus, so daß die Butter auch beim Händler nicht alt werden kann!“

Mit gleicher Sicherheit konnten sie nicht versprechen, ob der Preis von 99 Pfennig für das Viertelpfund gehalten werden kann. Direktor Hartl sagte dazu: „Wenn die Bauern den staatlichen Zuschuß von sechs Pfennig je Liter Milch nicht mehr bekommen (die WEG-Verträge sehen das vor), müssen die Butter- und Käsepreise angehoben werden.“

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