21. August 1965: Rathauspost rollt

21.8.2015, 07:00 Uhr
21. August 1965: Rathauspost rollt

© NN

Die Männer am Steuer der Lieferwagen sorgen dafür, daß jeden Tag frühmorgens die Post aus dem Fach geholt und über das Rathaus am Fünferplatz möglichst rasch, spätestens aber bis gegen zehn Uhr, zu den Dienststellen gefahren wird, die im Stadtgebiet verstreut liegen. Von dort nehmen sie Akten und Briefe mit. Kurzum: zwischen den Dienststellen herrscht ein reger Postverkehr.

Zur „Stadtpost“ gehören aber auch die Boten, die durch die langen Korridore in den Rathäusern laufen, Briefe, Akten und die Zeitungen verteilen, von denen die Stadt rund 30 – viele davon in mehreren Exemplaren – bezieht. Oberamtmann Karl Rammensee, der Chef des mit vielen Aufgaben betrauten Hauptverwaltungsamtes, hält die Fäden in der Hand. Er schildert die Tätigkeit des Sonderzustelldienstes, bei dem 65 Männer beschäftigt sind.

Sie befördern zwar nicht nur Post und Akten zwischen den städtischen Ämtern, aber ihr Arbeitstag beginnt bei der Bundespost, wenn sie gegen 6.30 Uhr die Sendungen für die Stadt abholen und zur Verteilerstelle im Rathaus bringen. Sortiert nach den einzelnen Dienststellen und zusammen mit Aktenbündeln in metallene Körbe gepackt, verschwinden die Sendungen in den Lieferwagen, noch bevor die Uhr am Krafftschen Rathaus die achte Stunde anzeigt. Schließlich haben „Stadtpost“ und Bundespost eines gemeinsam: die Zeit ist kostbar und Schnelligkeit ist Trumpf!

Auf mehreren Routen fahren die Wagen durch die Stadt: von der Guntherstraße im Süden bis nach Großreuth im Norden, von der Maximilianstraße im Westen bis zum Platnersberg im Osten. Sie rollen außerdem zu den Verwaltungsaußenstellen in Buch, Laufamholz, Reichelsdorf und Eibach. Wenn alle Dienststellen, die in Nürnberg an rund 70 Plätzen in der Stadt untergebracht sind, besucht worden sind, warten bereits neue Aufgaben auf die Männer in den grauen Arbeitsmänteln.

Sie starten zur Zentralküche im Bielingschulhaus, um als „Essenholer“ die mittägliche Mahlzeit für Beamte und Angestellte zu den 16 Ausgabestellen zu bringen. Dazwischen beladen sie ihre Wagen mit Drucksachen, ohne die kaum eine Behörde auskommt, mit Schreibutensilien, kleineren Büromöbeln, Schulbedarf oder Wäsche. Aus dem Fembohaus muß ein Altstadt-Modell in das Wolffsche Rathaus transportiert werden. Wer hilft in diesem Fall? Der Sonderzustelldienst wird bemüht, der dann in der Art der einstmals berühmten „Roten Radler“ den Wunsch erfüllt.

Wenn die Männer dann am späten Nachmittag aus den Lieferwagen klettern, hat der Tachometer zwischen 130 und 150 Tageskilometer registriert. Auf eine solche Fahrtstrecke kommt der Bezirkszustelldienst nicht. Seine Leute bescheiden sich mit monatlich 1.600 bis 1.800 Kilometer und bringen solche Sendungen an den Empfänger, die die Post nicht zustellt: Sitzungseinladungen für die Stadtväter oder Aufrechnungsbescheinigungen. Sie holen Invalidenkarten ab und erscheinen manchmal mit einem Sonderauftrag, wenn Sprößlinge anstatt zur Schule lieber ins Schwimmbad gehen.

„Auch die Mitteilungen über Schulversäumnisse stellen unsere Leute zu, weil wir schon die Erfahrung machen mußten, daß die Lausbuben die auf dem normalen Postweg verschickten Briefe abgefangen haben“, meint Oberamtmann Karl Rammensee, der insbesondere auf Schnelligkeit innerhalb des städtischen Postverkehrs großen Wert legt. „Wir sind bestrebt, rasch zu arbeiten“, versichert er und verweist stolz darauf, daß der Zustelldienst so weit wie möglich motorisiert worden ist.

Noch vor einem Jahrzehnt hat das anders ausgesehen. Da benutzte der städtische Bote, wenn er einen Geburtstagsglückwunsch zu überbringen hatte, die Straßenbahn. Solche Fahrgäste gehören bei der Verkehrs-Aktiengesellschaft längst der Vergangenheit an.

Verwandte Themen


0 Kommentare