21. August 1966: Knipser kaufen Dias

21.8.2016, 08:50 Uhr
21. August 1966: Knipser kaufen Dias

© Ulrich

Etwa ebenso oft wie in den Vorjahren sind Abgüsse der "Betenden Hände" und des "Feldhasen" von Albrecht Dürer gefragt. Nürnberger Wappen, Postkarten und Bilderserien gehen ebenfalls gut. Auffallend viel Fremde scheinen ihren eigenen Photokünsten nicht recht zu trauen: sie kaufen Dias mit typischen Motiven.

Diese Zwischenbilanz einer regenreichen Reisezeit mit geringerem Umsatz als früher zieht Friedrich Dollinger in seinem Andenkenladen am Tiergärtnertor. Er meint aber, das schleppende Geschäft gehe nicht allein am schlechten Wetter zurück. Der Andenkenmarkt sei übersättigt, die Leute hätten schon zu viele Mitbringsel daheim stehen und wollten nicht alles doppelt und dreifach besitzen. Deshalb müsse man den Kunden Souvenirs anbieten, die es nur in Nürnberg zu kaufen gibt.

21. August 1966: Knipser kaufen Dias

© Ulrich

An Motiven und an Auswahl herrscht kein Mangel. "Very nice" finden zwei Amerikanerinnen, die offensichtlich vom benachbarten Dürerhaus tief beeindruckt sind, den Abguß der "Betenden Hände". Behutsam wiegen sie ihn in den Händen. Vielleicht ist der Wandschmuck zu schwer für ihr Luftgepäck, vielleicht ist er aber auch zu teuer. Die Damen begnügen sich mit Postkarten von diesem Stich und kaufen lieber Dias und silberne Anhänger mit dem Wappen der Bundesrepublik.

Ein junger Franzose wünscht eine "Carte postale - groß", zwei Schwaben im besten Mannesalter entscheiden sich für die Adler-Lokomotive, und eine alte Dame aus Norddeutschland läßt sich die Miniaturausgabe des Adlers gleich dreimal einpacken, derweil sie die Schönheiten Nürnbergs unaufgefordert rühmt und preist. Eine kleine Engländerin darf sich ein silbernes Armband mit dem Nürnberger Wappen aussuchen; ein junges Paar wählt bunte Ansichtskarten vom Schönen Brunnen, von der Burg, vom Henkersteg und vom Dürerhaus.

Viele Fremde wissen auch, daß in Nürnberg die Spielwarenindustrie beheimatet ist. Diese Vorstellung kombinieren sie häufig mit ihren Kenntnissen bayerischer Eigenart und kaufen Püppchen in Lederhosen und Dirndlkleidern. Die Jugend und die Kinder interessieren sich mehr für Miniatur-Fernsehgeräte, auf deren Scheibe Nürnberg-Bilder erscheinen, für Wimpel mit Wappen des 1. FCN und für Taschenmesser mit dem Panorama der Burg.

Kaum mehr gefragt ist Nürnberg auf Seidentüchern. Schnapsgläser mit dem Bild des Schönen Brunnens werden von Sammlern verlangt, ebenso Römer mit dem Stadtwappen. Auf Bierkrüge mit Zinndeckel und dem Bild der Burg sind hauptsächlich Amerikaner spezialisiert. Aber in diesem Jahr hat Friedrich Dollinger viel weniger Touristen aus den USA bedient als im letzten Sommer. Er überlegt, ob das wohl mit der Vietnam-Krise zusammenhängt.

Beliebt sind auch Bleigüsse mit Kupfer- oder Silberauflage in Gestalt des Nürnberger Trichters, der Burg, des Schönen Brunnens und anderer Sehenswürdigkeiten. Holzteller mit einem Nürnberger Motiv und Kacheln mit dem Stadtwappen. Ein typisches Souvenir ist schließlich auch der Brautbecher. Friedrich Dollinger und seine Frau verkaufen aber nicht nur Andenken.

Sie beantworten täglich Hunderte von Fragen, sie beschreiben den Weg zum nächsten Parkhaus und empfehlen Gasthöfe, wenn Urlauber abends wissen wollen,wo sie in Nürnberg übernachten können. Dieser Dienst am Kunden ist in der Andenkenbranche besonders wichtig, denn die Fremden sollen schließlich nicht nur Souvenirs, sondern auch einen guten Eindruck von Nürnberg mit heimnehmen.

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