22. Dezember 1966: Ein Quell der Hoffnung

22.12.2016, 08:11 Uhr
22. Dezember 1966: Ein Quell der Hoffnung

© Gerardi

Aus der fünften Blüte am Strauß der Vorschläge für einen Bauplatz schöpfen sie die Zuversicht, daß sie ein gnädiges Schicksal bald aus der drückenden Raumnot in der Findelgasse und in angemieteten Räumen herausführen wird. Das frühere Gelände der Tucher-Brauerei an der Langen Gasse beim Maxtor ist jüngst als Standort für Neubauten ins Gespräch gekommen und hat das Wohlgefallen der Akademia gefunden.

Es gibt kaum jemanden in Nürnberg, der diesen Wunsch nicht gerne erfüllen möchte, denn beide Seiten – Stadt und Universität – scheinen des Streits um den Standort leid zu sein.

CSU: "Schluß mit dem Standort-Streit"

22. Dezember 1966: Ein Quell der Hoffnung

© Gerardi

Der Oberbürgermeister hat in seiner Jahresschluß-Ansprache vor dem Stadtrat erklärt, daß Nürnberg eine baldige Entscheidung der Universität und Staatsregierung erwarte, damit sich die 6. Fakultät fortschrittlich entwickeln kann. Am gleichen Tage betonte der Rektor der Universität, das Verhältnis zur Stadt Nürnberg habe sich stark gebessert; Professor Dr. Johannes Herrmann kündigte bei dieser Gelegenheit an, das Gelände der Tucher-Brauerei werde dahingehend überprüft, ob es sich als Sitz der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät eignet. Die Nürnberger CSU hatte bereits in einer Broschüre zur Landtagswahl gefordert: "Schluß mit dem Standort-Streit!" Die freien Demokraten gelten seit eh und je als Anhänger einer Lösung im Sinne der Fakultät.

Stadt und Staat müßten sich die Kosten teilen

Solche Eintracht des Denkens nach jahrelangem Gezänk vor und hinter den Kulissen hat sogleich Gerüchte genährt, das Gelände der Tucher-Brauerei mit 24.000 Quadratmetern sei für 9,6 Millionen Mark an die Stadt Nürnberg verkauft, weil es nach dem Zusammenschluß von Tucher und Brauhaus nicht mehr benötigt wird. "Ich wäre glücklich, wenn es dazu käme", sagt dagegen Baureferent Heinz Schmeißner, der es wissen sollte. Nach dem Fusionsvertrag müßten sich aber Stadt und Staat die Kosten für den Grundstückskauf teilen. Schmeißner ist jedoch heilfroh, daß angesichts der strittigen Frage, ob auf dem Worzeldorfer Espan (Nürnberger Vorschlag) oder an der Scharrerstraße (Wunsch der Fakultät) gebaut werden soll, ein neuer Standort zur Wahl steht.

Geht der Streit zu Ende?

Das Gelände der Tucher-Brauerei bietet nach seiner Ansicht viele Möglichkeiten. Einmal könnte dort eine neue Fakultät errichtet werden, zum anderen wären auch Erweiterungsbauten für den bestehenden Kern an der Findelgasse denkbar, wobei ein Studentenhaus auf der Kleinen Insel Schütt vorgesehen werden sollte. Wenn auch der Rektor der Universität schon davon gesprochen hat, das Projekt Wetzendorfer Espan sei endgültig zu den Akten gelegt, so muß dazu doch erst noch ein Beschluß des Stadtrats herbeigeführt werden. Es bestehen jedoch nur noch wenig Zweifel, daß sich der Stadtrat dem Willen von Kultusministerium und Universität beugen wird, um nicht einen neuen Streit heraufzubeschwören.

Die Suche nach einem geeigneten Bauplatz steckt ohnehin voller Peinlichkeiten. Am Anfang hatte die Stadt ein Gelände hinter der Bibliothek am Egidienberg ins Gespräch gebracht, das sich freilich bald schon als zu klein erwies, weil die Studentenzahlen ständig stiegen. Sie lenkte daher das Auge der Professorenschaft auf Grundstücke am künftigen Wöhrder See, die wiederum der Stadtrat nicht bebaut sehen wollte. Daraufhin drängte die Fakultät auf eine andere rasche Entscheidung, die ebenfalls nicht nach ihren Wünschen ausfiel.

Der Stadtrat bot den Wetzendorfer Espan an, weil er dort Möglichkeiten für ein ganzes Universitätsviertel mit weiteren Fakultäten oder gar einer Technischen Hochschule erblickte; die Fakultät hatte indes das Grundstück an der Scharrerstraße liebgewonnen, das von unserer Zeitung ins Spiel gebracht worden war.

So oder so - eine Wahl muß bald getroffen werden, wenn die Fakultät nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag in der Klemme sitzen will.

Verwandte Themen


Keine Kommentare