23. Februar 1966: Faschingsvolk im Sonnenschein

23.2.2016, 07:00 Uhr
23. Februar 1966: Faschingsvolk im Sonnenschein

© Kammler

Das Prinzenpaar erhielt bei einem hohen offiziellen Empfang der Stadt ein Begräbnis erster Klasse. In allen Reden wurden dabei Herbertla I. und Brigitte I. bescheinigt: „Ihr habt uns einen Fasching der Superlative beschert.“ Während in den Büros schon am frühen Morgen das Ende der närrischen Zeit begossen wurde, schritt Herbertla im Heilig-Geist-Spital zu seiner „letzten großen Amtshandlung“, ja, zur letzten Schau seiner Laufbahn als Faschingsheld. Zusammen mit seiner liebreizenden Prinzessin Brigitte gab er den beiden Bürgermeistern den großen Stadtschlüssel wieder zurück, der ihm vor sechs Wochen willig überlassen worden war und „werkli überall paßt ham“ soll. Mit rauhen Kehlen, aber ungebrochenen Mutes verabschiedeten sich die Tollitäten, die fast hundert Mal vor ihrem Volke aufmarschiert waren.

Oberbürgermeister Dr. Andreas Urschlechter stellte sich bei diesem Anlaß ebenfalls in prächtiger Kondition vor, obwohl er zu vermelden wußte: „Wir waren a weng früher da, denn wir sind glei vom Ball hierher komma!“ Er bezeichnete die lustige Runde der Präsidenten und Narren weniger hoher Dienstgrade als „Die Schuldnerversammlung des Jahres 1966“, denn sowohl die Stadt als auch der Festausschuß und sogar Einzelpersönlichkeiten stünden wohl ganz schön in der Kreide.

Solchen Worten folgte ein ganzer Schwall von Komplimenten für das Prinzenpaar („Ihr habt der Bevölkerung viel Freude und Frohsinn gebracht“), für die „einmalige Leistung der Garde“, die lange Nächte ohne chinesischen Blick überstanden habe, für die Karnevalsgesellschaften („Ihr habt fast das Letzte aus Euch herausgepreßt“) und für den Festausschuß, der den Faschingszug auf die Beine gestellt hat. Als Erinnerungsgeschenk bekam Brigitte ein Mokkaservice, Herbert einen Zinnkrug. Festausschuß-Präsident Hans Bernhard stieß ebenso wie Karlheinz Schubert als Sprecher der Präsidenten ins Lobeshorn: „Es woar a schöina Fasching, jou werkli!“

Hisel seinerseits pries die Haltung der beiden Bürgermeister in den höchsten Tönen. „Was wir mit dem Andreas und dem Franz angestellt ham, ist zeitweise a Zumutung gwesn“, meinte er und fügte drein: „Der ganze Stadtrat ist gar nicht so humorlos, woi die Leit immer glam!“ Allen Nürnbergern aber machte der Prinz wenige Stunden vor seinem Zapfenstreich das Kompliment, daß sie werkli mitg'macht ham; die Prinzessin flötete: „Es war eine wunderbare Zeit für mich, und ich hoffe, Ihr seid mit mir zufrieden gewesen!“

Im Saale gab's die allerletzten Orden und Küsse, als draußen mancher schon das Mittagsläuten für den Schlußgong des Faschings hielt. Viele freilich erwarteten um diese Stunde das Arbeitsende in Büros und Ladengeschäften. Nur die Polizei und die Rotkreuz-Helfer mußten einen klaren Kopf behalten, als die anderen in vollen Zügen feierten.

Die König- und Karolinenstraße wurde zeitweise abgesperrt. Auf den Gehsteigen patrouillierten in Vierergruppen freundliche Uniformierte, die selbst Parksündern gegenüber ein Auge zudrückten. Die Männer vom BRK aber kümmerten sich um die „Leichen“, die der reichlich genossene Alkohol umgeworfen hatte. Bis zum Abend waren 15 Betrunkene entweder in das Krankenhaus oder heimgebracht worden – sicherlich nicht gerade zur Freude der nüchtern gebliebenen Familienangehörigen.

Freilich: Jubel, Trubel und Heiterkeit kam in den Nürnberger Straßen erst am späten Nachmittag auf, als die Narren – vornehmlich die jüngeren Jahrgänge – von flotten Kapellen wie „Jonahs & the Whales“ in der Köningstraße angeheizt wurden und in den Schwung gerieten. Vorher hatten sich um vereinzelte Musikanten nur kleine Grüppchen geschart, ausgenommen allerdings die Beatle-Fans, die am nördlichen Ende der Königstraße in stoischer Ruhe auf der Steintreppe hockten und warteten, bis ihr Lokal die Pforte öffnete.

Die Faschingsbummler aber, die in kaum größerer Zahl als zum Fastnachtszug am Sonntag unterwegs waren, schienen sich heuer lieber die Auslagen in den Schaufenstern ansehen zu wollen. Anlaß zur Bewunderung gab es ansonsten nämlich kaum, weil Kostüme rar waren und die wenigen zum Mummenschanz aufgelegten Menschen als angemessene Kleidung wenig einfallsreich gestreifte Schlafanzüge kreierten.

Wer sich nicht an den Würstchenbuden stärkte, an den Ständen Süßigkeiten erstand oder an den Glücksbuden spielte, konnte sich am Gewerbemuseumsplatz vergnügen, auf dem zum Faschingsende von Schaustellern und ambulanten Händlern ein Volksfest en miniature aufgebaut worden war. Insbesondere auf den Kinderkarussells gab es am Nachmittag kaum noch einen freien Platz. Durstige und tanzfreudige Narrenseelen mußten ebenso scharf spähen, wenn sie in den Gaststätten, Cafés und Restaurants einen freien Stuhl erspähen wollten.

So feierten die Nürnberger ausgelassen dem Ende der Faschingssaison entgegen und kosteten den Karneval bis zur Neige aus.

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