23. Juni 1965: Problem: Rathaussaal

23.6.2015, 07:00 Uhr
23. Juni 1965: Problem: Rathaussaal

© Hochbauamt

In die Diskussion um die Frage, was künftig mit dem Raum geschehen soll, hat sich die Akademie der Bildenden Künste eingeschaltet. Sie wendet sich entschieden gegen Pläne der Stadtverwaltung, den Rathaussaal in einen Raum für die Plenarsitzungen des Stadtrates umzuwandeln. Der Stadtrat braucht eine größere Tagungsstätte, wenn Nürnberg eine halbe Million Einwohner zählt und sich das Plenum aus 60 statt bisher 50 Köpfen zusammensetzt. Der Akademie hingegen schwebt ein Festraum vor – „eine Lösung, die unserer Zeit würdig ist und der Stadt Nürnberg zur Ehre gereicht“.

Der Rathaussaal zu Nürnberg ist in den Bombennächten ausgebrannt, seine Fresken sind zu Grunde gegangen. Dürer hat sie entworfen; eine in Erlangen aufbewahrte Umzeichnung der Hauptgruppe des Apelles ist das einzige, was erhalten blieb. Von dem schönen Gitter aus der Vischerwerkstatt, das bei der Angliederung Nürnbergs an Bayern verhökert wurde, findet man Reste im Museum auf dem Schloß Montrotier bei Annery in Savoyen. Sie sind dort in einem Gewölbe wirksam und würdig untergebracht.

Dürers Entwürfe sind – nach sekundären Quellen – 1521 von seinem Schüler Georg Pence ausgeführt worden, der nach seiner Rückkehr aus Italien noch andere Arbeiten in Nürnberg schuf, so die Decke des Gartensaales des Hirschvogelhauses (heute im Fembo-Haus).

Der Rathaussaal, in dem entscheidende Gespräche der Reformation stattfanden, in dem das Friedensmahl nach Beendigung des 30jährigen Krieges abgehalten wurde von Sandrart in einem großen Gemälde festgehalten: es war der repräsentative Festraum der Reichsstadt. Dieser Saal ist heute noch ohne Gesicht und auch noch ohne Funktion. Die Außenmauern sind wieder hochgezogen. Sie bilden zum Rathaushof hin die vertraute gotische Form. Das Dach ist gedeckt, das Dachgerippe anstelle des alten kassettierten Tonnengewölbes ist eine Metallkonstruktion; aber im Inneren ist alles leer. Was soll mit dem Raum geschehen? Nicht morgen oder übermorgen, aber in einer absehbaren Zeit?

Die Akademie der Bildenden Künste hat sich zu dieser Frage mit ihrer zweiten „Empfehlung“ (die erste galt dem Galeriebau) geäußert. Sie tat dies in Sorge, daß hier versäumt werden könnte, was – so heißt es wörtlich – „dem Nürnberger Hauptmarkt zum Verhängnis geworden ist. Dieser ehemals berühmte Platz hat zwar noch bedeutende Blickpunkte, wie die Fassade oder Frauenkirche, den Schönen Brunnen oder die Silhouette der nahen Sebalduskirche, als Platz aber hat er durch Neubauten, die nicht überzeugen, seine einstige Schönheit eingebüßt. Es macht sich besonders an der südlichen Platzwand ein kommerzieller Geist breit, der durch schlechtproportionierte Leuchtschriften an dieser Stelle unerträglich ist. Die Stadt, die so großen Wert auf ihre künstlerische Tradition legt, hat es nicht verhindern können, daß ihre „gute Stube“ den Gästen aus aller Welt in einer so billigen Form dargeboten wird.“

Eine große kulturelle Aufgabe

Um ein ähnliches Versäumnis beim Rathaussaal zu verhüten, schaltet sich die Akademie in die Diskussion über die Verwendung des Rathaussaales ein. Wenn beabsichtigt wird, hier den großen Sitzungssaal des Stadtrats einzubauen, falls der jetzige im Haus am Fünferplatz nicht mehr genügt, so wäre eine Anknüpfung an die historische Tradition weggewischt, abgesehen davon, daß ein Saal, der 40 Meter lang und 12 Meter breit ist, wohl kaum den geeigneten Grundriß für einen Sitzungssaal bieten könnte. Erst recht nicht, wenn eine Tribüne nicht nur quer, sondern sogar an der Gegenwand der Fenster eingefügt werden sollte.

Die Akademie empfiehlt, „den großen Rathaussaal im Geiste unserer Zeit möglichst bald wieder auf- und auszubauen, wobei an die Funktion und nicht an die historische Wiederherstellung dieses Denkmals deutscher Geschichte eine kulturelle Aufgabe ersten Ranges. Sie darf einer internen amtlichen Regelung allein nicht vorbehalten sein und sie kann den zuständigen Stellen nicht abverlangt werden“.

Die Akademie schlägt vor, „zur Gewinnung von Entwürfen für den Ausbau des großen Rathaussaales unverzüglich einen Wettbewerb auszuschreiben. Zur Teilnahme sollten Architekten eingeladen werden, die gemeinsam mit Malern und Bildhauern für die Ausstattung dieses Festraumes eine Lösung finden, die unserer Zeit würdig ist und der Stadt Nürnberg zur Ehre gereicht“. Es ist bei der finanziellen Beanspruchung der Stadt kein vordringliches, vor allem kein bald zu realisierendes Objekt – auch wenn man an die Feiern zum 500. Geburtstag Dürers im Mai 1971 denkt. Wichtig ist nur, daß die Lösung der Frage nicht vorzeitig „verbaut“ wird. Denn immerhin zeigt dieser Saal, wie Mummenhoff einmal sagte, was die Stadt Nürnberg war und wofür sie sich selbst hielt.

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