23. Juni 1967: Drei Bahnhöfe in der Schublade

23.6.2017, 07:00 Uhr
Im "Tal" zwischen Neuselsbrunn (l.) und Zollhaus befindet sich die erste Nürnberger U-Bahn-Baustelle. Für die Brücke, die die Münchner Straße über die Schienen führt, entstehen zur Zeit Fundamente und Stützmauern.
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© Gerardi Im "Tal" zwischen Neuselsbrunn (l.) und Zollhaus befindet sich die erste Nürnberger U-Bahn-Baustelle. Für die Brücke, die die Münchner Straße über die Schienen führt, entstehen zur Zeit Fundamente und Stützmauern. Fotocredit

Zwar dauert es noch einige Jahre, bis die Bewohner von Langwasser von der Bauernfeindstraße aus mit der U-Bahn in ihren neuen Stadtteil fahren können, aber der Start berechtigt zu schönen Hoffnungen. Die Untertunnelung der Münchner Straße bei der Parkwohnanlage Zollhaus macht Fortschritte. Außerdem erfolgt heute die Submission für die zweite Brücke, die die Beuthener Straße über die Schienen führt und an der Nordwest-Ecke des ehemaligen Märzfeldes errichtet wird.

Am meisten aber freuen sich die Nürnberger darüber, daß der Staat die Spendierhosen anhat. Die Hälfte der Baukosten übernimmt der Bund. Den Rest begleichen das Land Bayern zu einem und die Stadt zu zwei Dritteln. "Jetzt geht‘s erst richtig los", versichert Oberbaudirektor Karl Schaller, der Leiter des Tiefbauamtes. Denn auf der Baustelle Bauernfeindstraße – Bundesverkehrsminister Leber tat dort den ersten Spatenstich – ist mit den Fundamenten für die Brücke begonnen worden.

Im Juli soll obendrein die dritte Brücke ausgeschrieben werden, die für die U-Bahn nach Langwasser notwendig ist. Sie entsteht an der Kreuzburger Straße, just bei dem großen Loch, das im Lärmschutzwall aus den März-Feldtrümmern klafft. Eine Million DM kostet jedes der drei Bauwerke, die bis Spätherbst 1968 vollendet sein sollen.

Aber die Leute vom Bauhof haben sich nicht nur mit Brückenbauten abgegeben. Sie können baureife Entwürfe für die drei U-Bahnhöfe – Neuselsbrunn. Langwasser-Nord und Kreuzburger Straße – vorzeigen, von denen jeder 1,2 Millionen DM teuer wird.

Was das nächste Jahr angeht, so bestehen ebenfalls schon greifbare Pläne. 16 Millionen DM sollen 1968 in die U-Bahn von Langwasser gesteckt werden. Im wesentlichen wird das viele Geld für die Tunnelstrecke in Langwasser-Süd sowie für die Bahnhöfe in diesem Bereich verwendet. Daneben aber beginnen im Spätherbst am anderen Ende der Stadt Arbeiten an einem Projekt, das zwar zunächst noch nichts mit der U-Bahn zu tun hat, in vielen Jahren aber dafür verwendet wird: die Hochbrücke, über die die Straßenbahn kreuzungsfrei über die Knotenpunkte Sigmundstraße und Stadtgrenze Nürnberg-Fürth fährt.

Das 1,2 Kilometer lange Bauwerk von der Fuchsstraße bis zur Höfener Straße wird bereits so hingestellt, daß bei einem späteren U-Bahn-Betrieb nur noch geringe Änderungen notwendig sind. Mit drei Jahren Bauzeit rechnet Oberbaudirektor Karl Schaller für den Gleiskörper hoch über den Köpfen der Nürnberger, mitten in der Fürther Straße.

Die Nürnberger aber dürfen sich nicht allein darüber freuen, daß sich im U-Bahn-Bau etwas rührt. Bundesverkehrsminister Leber hat ihnen eine Genugtuung zuteil werden lassen, als er den Hannoveranern kurzerhand den 2,90 Meter breiten U-Bahn-Wagen zur Auflage machte, den auch München und Nürnberg verwendet. Baureferent Heinz Schmeißner sieht seine Ansicht bestätigt, daß nicht jede Stadt ihr Extrawürstchen braten, sondern – gleich Nürnberg – die Zusammenarbeit mit anderen pflegen sollte.

Oberbaudirektor Karl Schaller denkt schon materieller. Er rechnet sich aus, daß die Münchner, die auf einen U-Bahn-Hochbetrieb während der Olympischen Spiele gefaßt sein müssen, hinterher nicht alle U-Bahn-Wagen brauchen könnten. "Vielleicht fallen da für uns einige billige Waggons ab, die wir nur noch umspritzen müßten", überlegt er schon jetzt. Und Baureferent Schmeißner beteuert, daß auch er nichts gegen ein "paar getragene Sachen vom großen Bruder" hat.

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