24. Juli 1966: In „Kompaniestärke“ am Ufer

24.7.2016, 07:00 Uhr
24. Juli 1966: In „Kompaniestärke“ am Ufer

© Kammler

Für ihre Mitglieder greifen die Clubmanager tief in die Kassen. An Pachten müssen sie rund 35.000 Mark zahlen, weitere 53.000 Mark sind für die Auffrischung des Fischbesatzes hinzuzublättern. Der „Spaß an der Freud“ längst von snobistischen Merkmalen getrübt, muß sogar gebremst werden: die Vereine nehmen – wenn überhaupt – nur noch Sportangler mit Diplom auf.

Hans Dobmeier, Rechtsanwalt und Vorsitzender des Fischereivereins Nürnberg, setzt große Hoffnungen auf den Wöhrder See. „Das ist die einzige Möglichkeit“, prophezeit er, „aus der Zwickmühle herauszukommen.“ Denn: „Es verträgt sich mit der Zeit nicht, wenn die Zahl der Gewässer begrenzt bleibt und die Schar der Angler immer größer wird.“ Er glaubt fest daran, daß man dermaleinst Köder in den neuen See werfen kann. „Schließlich kommt sein Zulauf aus unseren Gewässern.“

24. Juli 1966: In „Kompaniestärke“ am Ufer

© Kammler

Für seine 500 Mitglieder, von denen nur 350 Erlaubnisscheine erhalten können, hat der Fischereiverein 35 Kilometer Gewässer gepachtet: die Pegnitz von der Stadtgrenze bis zum Wehr in Hammer, den Ludwig-Donau-Main-Kanal bei Pfeifferhütte, die Aisch bei Höchstadt, die Altmühl bei Ornbau, die Wörnitz bei Dinkelsbühl, die Schwarzach bei Neuburg vorm Wald, an die übrigens der weiteste Weg zurückzulegen ist. Ganze 110 Kilometer.

Die jährliche Pacht für diese Mammutstrecke, in die etwa 80 Zentner Fische für 12.000 Mark eingesetzt werden, beträgt 9.000 Mark. Es lohnt sich nicht im trüben zu fischen. „Die Rednitz wäre ein idealer Fluß“, meint Hans Dobmeier, „aber von Fürth bis zur Grenze des Regierungsbezirkes ist er von Abwässern stark verschmutzt.“ Die wenigen Fische, die in dieser Brühe zu finden sind, „schmecken nach Petroleum“. Der angelnde Rechtsanwalt, der seit über zwanzig Jahren den Vorsitz in seinem Verein führt, hat da schon bessere Zeiten erlebt.

Seinen kapitalsten Fisch zog er aus der Altmühl: einen achtpfündigen Hecht. Als er seine Beute sicher auf dem Lande hatte, da staunte er. Der gewichtige Räuber hatte zwei Forellen von 23 und 13 Zentimetern Länge in seinem Magen und obendrein noch zwei junge Vögel im Schlund. Der Vorsitzende kann sich verbürgen. Kein Anglerlatein!

32 Kilometer lang sind die Gewässer, die der Anglerclub „Noris“ für 8.500 Mark gepachtet hat. Seine 400 Mitglieder können ihre Ruten an der Pegnitz bei Lauf und oberhalb Behringersdorf, an der Zenn bei Siegelsdorf, an der Aisch bei Uehlfeld, an der Schwarzach bei Rötz, am Ludwig-Donau-Main-Kanal bei Ochenbruck, an der Reichen Ebrach bei Hirschaid und an der fränkischen Rezat bei Immeldorf auspacken. Entfernungen spielen auch hier kein Rolle. 130 Kilometer sind zurückzulegen, wenn die Petrijünger an die oberpfälzische Schwarzach wollen.

24. Juli 1966: In „Kompaniestärke“ am Ufer

© Eva Slevogt

90 Zentner Karpfen, Schleien, Forellen und Hechte sind vom „Noris“-Club im vergangenen Jahr ausgesetzt worden. Ihr Preis: 21.000 Mark. Vorsitzender Hans Roth meint lakonisch: „Mit 100 Mark Jahresbeitrag liegen wir am höchsten. Unsere Leute wollen etwas fangen. Dafür müssen sie auch etwas bezahlen.“ Trotzdem blickt er sorgenvoll in die Zukunft. „Die Pachtpreise setzen uns ganz schön zu“, seufzt er. Vor sechs Jahren brauchte er beispielsweise für eine Strecke nur 300 Mark zu bezahlen.

1965 kletterte der Betrag auf 3.000 Mark. „Es gibt zu viele Geldmänner unter den Anglern“, klagt er, „bei denen spielt ein Tausender keine Rolle.“ Vor dem gleichen finanziellen Problem steht auch die Nordbayerische Sportangler-Vereinigung, deren Vorsitzender Ewald Flasch betrübt feststellt: „Steigerungen von 300 Prozent sind heute an der Tagesordnung.“ Von seinen 500 Mitgliedern sind 450 aktiv, 17 gehören einer Turniergruppe an, die sich öfters an internationalen und nationalen Wettkämpfen beteiligt hat und bei deutschen Meisterschaften sehr erfolgreich war.

Ihre Rutenleger kann die Vereinigung an Gewässern von 47 Kilometern Länge schicken: an die Wörnitz bei Dinkelsbühl, an die Aisch bei Weppersdorf, an die fränkische Rezat bei Spalt, an die Rednitz zwischen Nürnberg und Fürth, an den Ludwig-Donau-Main-Kanal bei Wendelstein und Nürnberg sowie an die Schwarzach bei Wendelstein, Sorg und Kining. Im Laufe eines Jahres hat der Schriftführer gewichtige Zahlen in den Protokollen festzuhalten: die gesamte Jahrespacht beläuft sich auf 13.000 Mark, 16.000 Mark sind für den Einsatz von Karpfen, Forellen, Schleien, Hechten und Zandern aufzubringen und 70 Zentner Fische ziehen die Aktiven in zwölf Monaten aus dem Wasser.

Eine Unsitte, die bereits zur Plage geworden ist, beschäftigt zusehends die Verantwortlichen. „Es wird nicht nur im Wald, sondern im verstärktem Maße auch an den Gewässern gewildert“, stöhnt Vorsitzender Ewald Flasch. Um den billigen Fischeinkauf zu stoppen, sind wirkungsvolle Fußangeln ausgelegt worden: die Nordbayerische Sportangler-Vereinigung hat eine Reihe vereidigter Fischereiaufseher engagiert, die ehrenamtlich nach dem Rechten sehen und die mit Polizeibefugnissen ausgestattet sind. „Ihre Tätigkeit lohnte sich“, resümiert Ewald Flasch. Mit 130 Mitgliedern ist die Sportfischer-Abteilung des Eisenbahn-Sportvereins Nürnberg-West/Fürth der zahlenmäßig kleinste Verein. Seine Fischpfründe liegen im Zeltnerweiher, im Pulversee, in zwei Privatweihern bei Reichelsdorf, in einer Haltung am Kanal bei Wendelstein sowie in der Fränkischen und Schwäbischen Rezat.

Die vielfältige Vereinsarbeit wird auf bemerkenswert einfache Art gelöst. Zweimal im Jahr muß jeder mit Schippe, Schaufel oder Spaten antreten – so steht es in den Satzungen. Wer sich vor diesem Frondienst drücken will, muß als Strafe 20 Mark bezahlen. „Die meisten kommen aber“, freut sich Vorsitzender Ludwig Hahn, dem wie seinen anderen Kollegen die Pachtpreise einige Kopfschmerzen bereiten. „Sie sind in den vergangenen Jahren horrend gestiegen“, bedauert er. Ein Fall aus der jüngsten Zeit beweist die Misere. Für ein 1.200 langes Gewässer wurden 700 Mark verlangt. „Diesen Betrag hätten wir vielleicht noch hingenommen“, meinte der Vorsitzende, „aber in dem Wasser ist überhaupt kein Fisch drin.“

Sämtliche vier Nürnberger Anglervereine, die von ihren Mitgliedern im Jahr zwischen 65 und 100 Mark als Beitrag kassieren, brauchen sich um fischenden Nachwuchs nicht zu kümmern. Er strömt in Scharen zu ihnen. Deshalb sahen sie sich gezwungen, Mitgliedersperren zu verhängen. Wer einen Aufnahmeantrag stellt, muß mitunter viel Geduld aufbringen: Im Durchschnitt steht sein Name bis zu drei Jahren auf der Warteliste. Platz für Neuaufnahmen gibt es fast nur noch, wenn ein Mitglied stirbt oder in eine andere Stadt übersiedelt.

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