24. Juni 1965: Der Schlußstein im Rathausviertel

24.6.2015, 07:00 Uhr
24. Juni 1965: Der Schlußstein im Rathausviertel

© Gerardi

Ende Juli beginnen die Arbeiten für den Neubau des „Bratwurst-Röslein“, das als einzige der weltbekannten Bratwurst-Küchen am angestammten Platz geblieben ist. Auf dem Gelände, das von der Rathausgasse, der Obstgasse, dem Obstmarkt und den Häusern südlich vom Rathaus am Fünferplatz begrenzt wird, entstehen im Westen und Osten zwei viereinhalbgeschossige Häuser, die auf der Südseite – zur Frauenkirche zu – durch einen niedrigeren Gaststättentrakt verbunden werden. Architekt Markus Mayer-Eming entwarf die Pläne. Den Charakter des Lokals, in das auch der Bundeskanzler gerne eingekehrt, möchte er erhalten. Gut bürgerlich soll es bleiben, so, wie es die Franken und Nürnberger gern haben.

Viele Jahre sind seit der Zerstörung ins Land gegangen, nach der man sich mit einem Provisorium behalf. Langwierige Grundstücksverhandlungen waren die Ursache, daß erst nach 20 Jahren großzügig gebaut werden kann. Weil der Betrieb trotzdem weiterläuft, muß in einigen Bauabschnitten gearbeitet werden. Spätestens 1968 aber präsentiert sich ein neues „Bratwurst-Röslein“, das sich gut in das Bild der Altstadt einfügt.

24. Juni 1965: Der Schlußstein im Rathausviertel

© Gerardi

Der Architekt legt den Laden wieder an die alte Stelle, in das Haus an der Ostseite, und fügt einen Imbißraum an. An der Süd-West-Ecke entsteht die vergrößerte Gaststätte, die auf 240 Quadratmeter Fläche vielen Besuchern Platz bieten kann. Außerdem gehört ein 40 qm großes Bratwurst-Stübchen im Altnürnberger Stil dazu. Hinter Laden und Gaststätte liegen die Wirtschaftsräume wie die Küche, Kühlräume und „Werkstätten“ für die Metzgerei.

Überzeugende Lösungen im Inneren des Gebäudekomplexes – der Gast wird einmal wenig davon sehen – lassen die Begeisterung spüren, mit der der Architekt an die Aufgabe heranging. Im Kellergeschoß über zwei sechs Meter hinabreichenden Tiefkellern liegen Heizungs- und Klimaanlagen, große Lagerräume und 35 Abstellplätze für Autos, die mit einer hydraulischen Bühne hinabgelassen und hinaufgehoben werden.

Die Gaststätte erhält einen eigenen Wirtschaftshof, der wie die Hebebühne von der Rathausgasse her erreicht werden kann. Den Mietern in den beiden Giebelhäusern steht dagegen ein Hof im ersten Stock zur Verfügung, der mit einer Aussparung versehen wurde. So fällt Licht in den darunter liegenden Wirtschaftshof. Im ersten Stock des Verbindungstraktes kamen schließlich Büros, Wäscherei und weitere Lager unter.

Inmitten der Altstadt spielt das „äußere Kleid“ eine bedeutende Rolle. Stahlbeton, Verputz und Sichtmauerwerk aus holländischen Ziegeln wählte der Architekt. Zwischen dem Erdgeschoß und dem ersten Stock zeiht sich ein plastisch bearbeiteter Gürtel aus Schönbacher Quarzit-Sandstein um die Häuser, ein Material, das auch beim Wiederaufbau des Wolff´schen Rathauses verwendet worden ist.

Selbstverständlich fehlt es nicht an reizvollen Zutaten. Die Westseite ziert ein schöner alter Sandsteinerker aus einem Nürnberger Innenhof, der von der Stadt zur Verfügung gestellt wurde. An die Fassade zum Obstmarkt kommt ein Erker aus Holz. Das Brauhaus Nürnberg steuerte eine Madonna bei, die zur Zeit im Germanischen Nationalmuseum aufbewahrt wird und an der Ecke Obstgasse/Obstmarkt angebracht wird.

Nur eines fehlt noch am neuen „Bratwurst-Röslein, in dem auch das alte Weizenbierstüberl an der Rathausgasse aufgegangen ist: ein hübscher Platz im Freien für die Gäste. Vielleicht entscheidet die Stadtverwaltung eines Tages, daß das Gänsemännlein nicht mehr nur auf parkende Autos herabblicken muß. Dann böte sich Raum dafür und es entstünde eines der reizvollsten Eckchen, von denen Nürnberg nie genug haben kann.

Verwandte Themen


1 Kommentar