24. Mai 1966: Sie spielen die Axt im Walde

24.5.2016, 07:00 Uhr
24. Mai 1966: Sie spielen die Axt im Walde

© Gerardi

Das ganze Strandgut der Zivilisation scheint heutzutage im Wald zu landen, der vielfach eher einem Müllplatz als einem Erholungsgebiet gleicht. Diese bittere Erkenntnis bescherte gestern eine Rundfahrt des Landesverbandes Bayern in der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald.

Das Benehmen mancher Zeitgenossen, die sich wie die Axt im Walde aufführen, steht in krassem Gegensatz zum Streben der Forstleute, die den Großstädtern saubere Ausflugsziele bieten wollen. Während die einen allen Unrat bei Nacht und Nebel im Grünen abladen, sind die anderen unentwegt bemüht, eine abwechslungsreiche Kulisse aus Bäumen, Sträuchern und Blumen zu schaffen.

24. Mai 1966: Sie spielen die Axt im Walde

© Gerardi

Wie oft das alte Sprichwort „Undank ist der Welt Lohn“ wahr wird, haben gerade die Grünröcke von der Oberforstdirektion Ansbach in den letzten Jahren erfahren müssen. In ihrem Bereich sind 102 Parkplätze mit einer Gesamtfläche von 91.500 Quadratmetern (im Raum Nürnberg allein 77 Abstellmöglichkeiten) entstanden, die dem autofahrenden Wanderer den Weg in den Wald leicht und bequem eröffnen. Die Forstleute wurden dafür fast buchstäblich mit Schmutz beworfen.

„Es ist eigenartig, daß sich Leute aus blitzsauberen Wohnungen im Wald wie Zigeuner aufführen“, sagte Forstpräsident Werner Pfeuffer, als er gestern einige von den vielen Schandflecken nahe Nürnberg empört vorzeigte. Je mehr Verpackungen die Industrie ersinnt und je seltener Ofenheizungen werden, desto stärker scheint das „Reinlichkeitsgewissen“ der Menschen zu schwinden. Weder das Forstpersonal noch die Polizei können der Unratsünder noch Herr werden; da müssen schon alle Bürger zusammenhelfen.

Städtischer Müllberg wird ignoriert

Das Problem des verschandelten Waldes tritt an den Grenzen der Stadt noch unangenehmer als in ländlichen Gemeinden hervor. Zu den üblichen Abfällen und dem Überfluß einer Wohlstandsgesellschaft kommen hier noch die Spuren des Dirnenunwesens, die jedem anständigen Menschen die Schamröte ins Gesicht treiben. Was an den Wanderwegen beim Zubringer Regensburger Straße und an dem Parkplatz nach der Autobahneinfahrt zu sehen ist, läßt es unmöglich erscheinen, Schulkinder einmal zu einem Großputz in den Wald loszuschicken. Selbst Parkverbotsschilder mit der Aufschrift „Eine Stunde nach Sonnenuntergang und eine Stunde vor Sonnenaufgang“ können nichts daran ändern, daß hier die käufliche Liebe abstoßend ins Auge fällt.

Jedoch auch ehrbare Bürger sind nicht kleinlich, wenn sie ihren Müll loswerden wollen. Die Abteilung „Kreuzweg“ an der Kornburger Straße – nur wenige Meter hinter der Kettelersiedlung – ist voll von Misthaufen. Obwohl hier erst vor einem Jahr geräumt und sauber gemacht worden war, liegt das Gerümpel schon wieder zentnerweise herum, mit dem ganz gewiß die Nachbarn dieses Waldstückes ihre Spazierwege nicht zuschanden machen. Obwohl der städtische Müllberg Maiach-Hinterhof mit seiner ansehnlichen Höhe von 50 Metern Tag für Tag allen offen steht, ziehen es manche offensichtlich vor, ihren Unrat einfach in die Gegend zu werfen.

Sündern gegen das Bayerische Forststrafgesetz drohen zwar Geldbußen bis zu 500 Mark für solche Delikte, doch leider werden nur wenige „Müllkutscher“ auf frischer Tat ertappt. „Diese Leute tun uns nicht den Gefallen, ihre Visitenkarte zu hinterlassen“, meint dazu Forstpräsident Pfeuffer. Trotzdem wird ein Drittel der Menschen von diesem Schlage mit Erfolg vor Gericht gebracht, wenn auch die Forstleute kaum noch alle Fälle aufgreifen, weil sie sich jeden Tag neuen Abfallbergen gegenübersehen.

„Das war eine unselige Rundfahrt“, sagte Regierungspräsident a. D. Dr. Hans Schregle, der 1. Vorsitzende des Landesverbandes Bayern in der Schutzgemeinschaft, als er einige Stunden lang im still stinkenden Wald umhergegangen war. Der alte Naturfreund sprach aus, was alle mit ihm dachten: es ist eine Schande.

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