24. März 1966: Polizei von der Spree

24.3.2016, 07:00 Uhr
24. März 1966: Polizei von der Spree

© Heinz Eißner

Gleichzeitig wurden vier mittelfränkische Kollegen an die Spree in Marsch gesetzt, um den Polizeidienst in der geteilten Hauptstadt einmal kennenzulernen.

„Wir glauben, daß wir dadurch wertvolle Anregungen für unsere Arbeit erhalten“, urteilt der stellvertretende Leiter der Schutzpolizei, Oberamtmann Emil Ostertag, über den Polizistenaustausch, der auf eine Anregung des Bayerischen Städtetags hin erfolgt ist.

Die Berliner, die am 30: April ihr Gastspiel in Nürnberg beenden, hatten schon reichlich Gelegenheit, ihre Fühler in das Polizeiwesen der Stadt auszustrecken. Zwei von ihnen – die beiden Hauptwachtmeister Wolfgang K. (29) und Robert S. (28) – sind der Schutzpolizei zugeteilt worden, Obermeister Friedrich M. (40) gehört der Verkehrsstreifengruppe an und Kriminalmeister Heinz-Jürgen Sch. (37) verstärkt die Kripo bei ihrer Verbrecherbekämpfung.

24. März 1966: Polizei von der Spree

© Heinz Eißner

Ihr erster Eindruck: in Nürnberg läßt es sich gut leben! Sie rühmen nicht nur die historische Altstadt – „hier weht noch ein bißchen Romantik“ – sondern loben auch das überaus gute Betriebsklima im Präsidium und die Hilfsbereitschaft der Kollegen. Weniger angetan sind sie dagegen vom edlen Gerstensaft. „Er ist etwas dünn, aber mit der Zeit schmeckt er auch“, meint einer der beiden Hauptwachtmeister, der – man höre und staune – die vielgepriesenen Bratwürste eine Enttäuschung nennt. „Da ziehe ich schon eine Bockwurst mit Weiße und Schuß vor.“

Apropos Alkohol: „In Berlin greift die Polizei wesentlich schärfer durch. Bei der geringsten Fahne ist da einer seinen Führerschein los“, plaudert munter sein Kollege aus dem Nähkörbchen der Frontstadtpolizei. Seine Erfahrungen auf mittelfränkischem Boden: „Hier gilt es vielleicht als Entschuldigung, wenn er zum Wachtmeister sagt, ick habe nur drei Bier getrunkenʻ“. Das sind bei uns aber schon mindestens sechse. Und das ist zuviel“, konstatiert er, ohne mit der Wimper zu zucken.

Wenn die Sprache auf den Verkehr in Nürnberg kommt, wehren die vier Berliner fast überheblich die Einwände ab. „Berlin is ja keen Dorf. Zu Nürnberg fehlen Vergleichsmöglichkeiten. Bei uns ist alles großzügiger angelegt.“ Sie bescheinigen aber unumwunden sowohl den Fußgängern als auch den PS-Bändigern im allgemeinen ein diszipliniertes Verhalten. Nach ihrer Meinung werden hier die gequälten Autofahrer durch Parknot und enge Straßen zu Übertretungen verführt.

Sie stellen ein gutes Zeugnis aus

Ohne jegliche Einschränkung stellen zwei der vier Berliner der Nürnberger Schutzpolizei ein gutes Zeugnis aus. Sie führe sämtliche Sachbehandlungen konsequent bis zum Schluß durch, „was bei uns leider nicht der Fall ist, denn an der Spree sind zu viele Spezialgebiete gebildet worden“. Deshalb „sind auch die Kriminalbeamten nicht zu bewaffneten Stadtschreibern degradiert“. Die beiden anderen Kollegen, die seit zwei Monaten der Nürnberger Schutzpolizei angehören, teilen dieses Lob nicht ganz. Sie monieren vor allem die Schreibtischarbeit, die zu wenig Zeit für die dringend erforderliche Verkehrsregelung lasse.

Der 37 Jahre alte Kriminalmeister Heinz-Jürgen Sch. ist von der rationellen Arbeitsweise der Kriminalpolizei sehr angetan. „Das läuft hier wie am Schnürchen“, urteilt er zufrieden, „und dank der wertvollen Vorleistung durch die intensiven Streifengänge ist die Aufklärungsquote sehr hoch.“ Als kritischer Beobachter findet er aber auch ein kleines Haar in der Suppe. Er ist überzeugt, daß in Nürnberg die Funkausrüstung verbessert werden müßte. Außerdem vermißt er größere und insbesondere auch schnellere Polizeifahrzeuge. Die Preußen in bayerischer Dienstkleidung haben bisher noch kein Aufsehen erregt. „Kein Mensch hat Anstoß daran genommen, daß wir Berliner sind“, bekräftigen sie. Nur eines empfinden sie als Manko: „Die Leute verstehen uns kaum.“ Einer drückte das so aus: „Die Franken sind zwar sauer, wenn sie fünf Mark Strafe zahlen müssen. Aber Saupreiß hat uns noch niemand genannt.“ Die Bilanz ihrer Arbeit ist eine Liebeserklärung an die Stadt. „Uns gefällt es prima, und jederzeit kommen wir gerne zurück. Nürnberg ist wirklich eine Reise wert!“

Verwandte Themen


0 Kommentare