26. Juni 1966: Guten Wein für alle Lebenslagen

26.6.2016, 08:50 Uhr
26. Juni 1966: Guten Wein für alle Lebenslagen

© Eißner

Die mit viel Witz, Charme und guten Einfällen geführte "Woche des deutschen Weines" geht heute zu Ende. Geschäftsführer Friedrich Gräf zieht eine optimistische Bilanz: "Es dürfte uns bestimmt gelungen sein, den Wein populärer zu machen. Ich glaube, daß sich das auch an der Umsatzkurve der einzelnen Geschäfte abzeichnen wird."

Seit einer Woche sprudeln die edlen Kreszenzen in reichlichem Maße: in zwei Weinständen am Hauptmarkt und an der Lorenzkirche, bei offiziellen Empfängen und zahlreichen Proben, bei denen einige tausend Besucher die Kostbarkeiten aus den verschiedensten deutschen Weinbaugebieten genießen konnten.

Gabe für die Tauffeier

Auch gestern hatte sich der Einzelhandelsverband wieder ein paar werbewirksame Gags einfallen lassen. Die Eheleute Knut Schnermann, die sich wenige Minuten zuvor im Standesamt das Jawort gegeben hatten, waren baß erstaunt, als ihnen zwanzig Flaschen vor dem Rathaus überreicht wurden, und zwar aus der Hand der deutschen Weinkönigin Waltraud Hey aus Oberotterbach bei Bad Dürkheim und der Gebietsweinkönigin von der Saar, Gunhild Reinert aus Kanzem bei Saarburg. "Noch vor unserer Hochzeitsreise werden wir ihn kosten", versprach der frischgebackene Ehemann, der aus Köln stammt. "Aber bitte nicht zuviel", schränkte seine junge Frau ein.

Ebenso überrascht war auch Frau Roswitha Buckle im Zimmer 231 des Städtischen Krankenhauses, die am Freitag um 2.35 Uhr einen strammen Jungen zur Welt brachte. Er soll übrigens Klaus heißen. Die gekrönten "Botschafterinnen des Weines" übergaben der glücklichen Mutter ebenfalls zwanzig ausgewählte Flaschen der verschiedenen Jahrgänge. Sie versprach, daß die edlen Tropfen "spätestens zur Tauffeier geleert" würden.

Königinnen gehen in die Luft

Auch an die ältere Generation war gedacht: im Altenheim am Platnersberg lud der Einzelhandelsverband 80 Bewohner der städtischen Altenheime und des Verbandes der freien Wohlfahrtspflege zu einer Probe ein, an der auch Sozialreferent Dr. Max Thoma teilnahm. Drei Stunden lang saßen sie vergnügt beisammen, erhielten Kaffee und Kuchen, sangen frohe Lieder und durften eine Flasche 1964er oder 1965er mit nach Hause tragen.

Mit einem Rundflug der Weinköniginnen über Nürnberg, der um 14 Uhr gestartet wird, klingt heute die Weinwoche aus. Zuvor werden aber noch einige Weinspenden verteilt: an die Sieger des Schaufensterwettbewerbs, der von dem Feinkostgeschäft J. K. Engelbrecht in der Karolinenstraße gewonnen wurde.

Von Frostlöchern und Auszeichnungen

"Wer Frankenwein trinkt, bei dem kann man unbesehen Weinkennerschaft voraussetzen, der hat bereits die höchste Stufe der Weinkultur erklommen!" So begeistert feierte der Leiter der Landesanstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau in Würzburg-Veitshöchheim, Dr. habil. Hans Breider, gestern den Frankenwein. Kein Wunder – hat Dr. Breider, der früher am Berliner Institut für Pflanzenforschung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft wirkte, seit 1950 durch Kreuzung und Züchtung neuer Rebsorten – "Perle", "Rieslaner" – doch selbst erheblich zum guten Ruf des Frankenweins und zum Gedeihen des fränkischen Weinbaus beigetragen.

Im Feinkoststübchen des Delikatessenhauses J. K. Engelbrecht in der Karolinenstraße – dessen Inhaber Alfred Pfahl sich "nicht nur aus kommerziellen Gründen, sondern quasi als Hobby für den Frankenwein einsetzt" – erfuhr man aus dem Munde des berufenen Fachmannes alles über dieses uns am nächsten gelegene Weinbaugebiet. Von seinen vier Bodenarten – Urgestein, Buntsandstein, Muschelkalk, Gipskeuper – von der Mannigfaltigkeit der Sorten, von "Frostlöchern" und von den vielen Auszeichnungen, die der Frankenwein bei den Prämierungen alljährlich einheimst. Obwohl er nur etwa drei v. H. des deutschen Weinertrages ausmacht und nur auf 2300 von insgesamt 78 000 Hektar deutscher Weinbaufläche erzeugt wird.

Der fränkische Weinbau hat deshalb auch keinerlei Mühe, seine 120 000 bis 150 000 Hektoliter alljährlich an den Mann zu bringen. Eher könnte es ein bißchen nachdenklich stimmen, daß er in Berlin, Bremen und Hamburg höher geschätzt wir als in Franken . . .

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