27. Dezember 1965: Friedliche Festtage in Franken

27.12.2015, 07:00 Uhr
27. Dezember 1965: Friedliche Festtage in Franken

© Ulrich

Die Polizei, die in früheren Jahren manchmal alle Hände voll zu tun hatte, sprach diesmal von einem „ruhigen Wochenende“, das heuer ja mit den Feiertagen zusammengefallen ist. Selbst die Feuerwehr – bei ihr herrschte erhöhte Alarmbreitschaft weil nicht zuletzt Christbäume in Flammen aufgehen könnten – verzeichnete nur drei bemerkenswerte Einsätze, wobei sie allerdings nicht einmal brennende Tannen oder Fichten löschen mußte. Nicht anders erlebten die Helfer des Roten Kreuzes das Fest: ohne viel Beschäftigung.

Dagegen kamen die Gläubigen beider Konfessionen in Scharen zu den Gottesdiensten am Heiligen Abend und an den Weihnachtstagen. Die evangelische Christvesper in der Sebalduskirche wurde vom Zweiten Deutschen Fernsehen übertragen, so daß die feierliche Handlung im ehrwürdigen Gotteshaus überall in Deutschland auf den Bildschirmen zu sehen war.

27. Dezember 1965: Friedliche Festtage in Franken

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Nachdem sich am Freitagnachmittag allmählich der geschäftige Trubel der vorangegangenen Tage gelegt hatte – Nachzügler kamen allerdings noch um 15 Uhr mit den letzten Einkäufen aus den Geschäften –, kehrte Stille in der Stadt ein. Über der festlichen Bescherung am Abend vergaßen viele den Sinn des Weihnachtsfestes nicht. Sie erinnerten sich ihrer Zugehörigkeit zur Kirchengemeinde und kamen in die Gotteshäuser. Die Folge waren gutbesuchte Christvespern und Christmetten. Als Kirchenrat Dekan Fritz Kelber in St. Sebald zu predigen begann, war die Kirche überfüllt. Die Kameraleute des ZDF fingen nicht allein die Christvesper – es musizierten die Sebalder Kantorei unter Kirchenmusikdirektor Dr. Ehrlinger und der Posaunenchor des CVJM Kornmarkt – ein, sondern richteten ihre Objekte auch auf Kostbarkeiten der alten Kirche.

Die katholischen Christen, die dem Ruf zum Adveniat-Opfer für Lateinamerika in reichlichem Maß Folge geleistet haben, erlebten in Herz Jesu eine Christmette, bei der sechs Priester gemeinsam das Meßopfer zelebrierten. In der neuen Dreifaltigkeitskirche in Langwasser feierte der Geistliche zusammen mit einem polnischen Priester die Christmette. Zu den Gläubigen gewandt, beteten sie gemeinsam die lateinischen Teile der Liturgie. Gemeinsam erteilten sie zum Schluß auch den Segen.

Die Kinder aber bestaunten die Krippen. Pfarrer Johann Freitag von St. Josef und Allerheiligen zeigt bis zum Dreikönigstag zwei Krippen des Regensburger Schnitzers Rainer Pöllmann. Außerdem können im Pfarrzimmer des Geistlichen, der weitum als „Krippen-Pfarrer“ einen Namen besitzt, die schönsten der Krippen besichtigt werden, die er im Lauf seines Lebens gesammelt hat.

27. Dezember 1965: Friedliche Festtage in Franken

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Das schlechte Wetter – ein steter Wechsel zwischen Regen, Schneeschauern und Sonnenschein bei milden Temperaturen – mag der Grund dafür gewesen sein, daß die Straßen der Stadt zuweilen wie leergefegt anmuteten. Die Nürnberger blieben lieber zu Hause, um dort den lukullischen Genüssen zu frönen: gebratene Gans, rohe Klöße, Plätzchen und ein Schnäpschen. Und der Vater durfte dann gar zur Belohnung mit der Eisenbahn des Sohnes spielen.

Das sichere Dach der Gaststätten und der Restaurants war noch am ehesten das Ziel derer, die es nicht zu Hause hielt. Manche Familienväter ersparten der Hausfrau an den Feiertagen die Arbeit in der Küche, zuweilen huldigten sie dem alten Brauch des Frühschoppens inmitten der Freunde. Die meisten Nürnberger, die dennoch unterwegs waren, besuchten Verwandte und Bekannte in der Stadt und Umgebung.

Was die Polizei, die Feuerwehr und das Rote Kreuz an Vorfällen verzeichnet haben, hat dagegen mit dem Fest kaum etwas zu tun. In der Fürther Straße geriet in Höhe der Regerstraße am Heiligen Abend gegen 18.35 Uhr der 37jährige Ungar Istvan aus der Wandererstraße unter den Triebwagen der Straßenbahn. Der Mann war sofort tot. Männer der Berufsfeuerwehr bargen die Leiche. Der Straßenbahnführer hatte den vermutlich Lebensmüden erst auf wenige Meter Entfernung bemerkt und nicht mehr rechtzeitig anhalten können.

Ungewöhnliche Ruhe meldete die Polizei: es ereigneten sich bis gestern abend im Stadtgebiet lediglich neun Verkehrsunfälle, bei denen zwölf Menschen verletzt wurden. Wie die Meteorologen vorausgesagt haben, wurde es am zweiten Weihnachtsfeiertag kälter. Und mit der Kälte kam das Glatteis. Es war Schuld daran, daß in den Abendstunden im Stadtgebiet drei Unfälle hohen Blechschaden und acht Verletzte forderten. In der Heisterstraße prallte ein Personenwagen gegen einen Telegraphenmast. Das Auto wurde dabei erheblich beschädigt. Ein 61jähriger Rentner, der sich in dem Wagen befunden hatte, erlitt Rippenbrüche. Der 40 Jahre alte Fahrzeuglenker mußte mit Kopfplatzwunden in das Krankenhaus eingeliefert werden.

Trotz dieser Zwischenfälle haben aber die Nürnberger in diesem Jahr ein ruhiges und friedliches Fest feiern dürfen. Auch in der Nachbarstadt Fürth feierte man ein ruhiges und besinnliches Weihnachtsfest. An den Feiertagen waren die Straßen nur wenig belebt. Dafür besuchten viele Gläubige die Gotteshäuser beider Konfessionen. Die Geistlichen gaben sich alle Mühe, die Gottesdienste feierlich zu gestalten.

Der Heilige Abend war für die Fürther letzter „Termin“ für die Geschenk-Einkäufe. Die Geschäftsleute sind sich einig, daß diesmal das „teuerste Weihnachten“ der Nachkriegszeit gefeiert wurde. Sie berichten, daß Schmuck und Pelze die attraktivsten Geschenke waren, die so häufig wie noch nie zuvor eingekauft wurden. Auch Antiquitäten fanden in diesem Jahr in Fürth viele Liebhaber. Weihnachten war für die Nachbarn ein Fest des Schenkens.

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