27. Juni 1965: Die goldenen Zeiten

27.6.2015, 07:00 Uhr
27. Juni 1965: Die goldenen Zeiten

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Pünktlich zur Tagung ihres Landesverbandes eröffnete gestern der Direktor der städtischen Kunstsammlungen, Dr. Wilhelm Schwemmer, im Altstadtmuseum die Ausstellung „600 Jahre Nürnberger Schlosserhandwerk“. Sie illustriert mit ausgewählten Schaustücken und Urkunden aus den städtischen Kunstsammlungen, dem Germanischen Nationalmuseum, dem Staats- und dem Stadtarchiv die Entwicklung des Handwerks und der Zunft in den Mauern der Stadt.

Die frühesten Namen einzelner Schlosser sind auf einer Neubürgerliste aus den Jahren 1312 bis 1314 genannt; doch war damals die Namensgebung noch im Fluß, und es ist schwer zu entscheiden, ob es sich beiden dort aufgeführten Bezeichnungen handelt. Das Handwerk selbst wird erst in einer Handschrift von 1367 erwähnt, die Gewerbesatzungen der Stadt enthält und im Staatsarchiv aufbewahrt wird.

Die meisten Ausstellungsstücke stammen aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert. Es sind Geldbüchsen, Herbergszeichen, Stubenzeichen, Siegelstempel, aber auch Winden, Stechzirkel, Gewehre, und vor allem natürlich Schlösser aller Größen und Macharten, mit Verzierungen und kunstvollen Mechanismen, mit Schnecken, Eisenbändern und Federn. Sie verzweigen und überschneiden sich auf einer Fläche, die man schon beinahe nach Quadratmetern messen kann. Daneben findet man auch Brunnengitter mit eingearbeiteten Silhouetten aus Eisenblech, reichbeschlagene Truhen, deren komplizierte Verschlüsse in den Deckel eingearbeit sind, schön geschmückte Türen, und sogar Uhren, darunter eine kleine Zylinderuhr mit eisernem Werk, die Peter Henlein zugeschrieben wird.

Die ausgestellten Dokumente umfassen Handwerker-Ordnungen aus den Jahren 1535 und 1629, Meister- und Neubürgerbücher aus dem 15. und 16. Jahrhundert und die Akten der Schlosserzunft (alle aus Nürnberg). Dazu gehören Lehrbriefe, Geburtsbriefe, Meisterbücher, Kirchentafeln, Ausschreibbücher für Lehrlinge, aber auch Dokumente über den widerrechtlichen Verkauf von geschwärzten Eisenbändern durch Kupferschmiede.

Nachteile durch Vollbeschäftigung

Die Ausstellungseröffnung, bei der neben dem Vorsitzenden des Landesinnungsverbands des bayerischen Schlosser- und Maschinenbauerhandwerks, Robert Birkeneder, München, und dem Nürnberger Vizepräsidenten Lorenz Schneider auch Senator Philipp Schrep-Gröschel teilnahmen, war der Auftakt zu den Besprechungen des Verbandstags, der bis Sonntag dauert. 140 Delegierte aus 66 Innungen vertreten dabei 2800 Betriebe, die im Jahr 1964 einen Gesamtumsatz von 650 Millionen DM erzielten.

Der Vorstand des Landesinnungsverbandes beklagte gestern die nachteiligen Auswirkungen der Vollbeschäftigung vor allem für die kleineren Betriebe. Meister und Betriebsinhaber seien durch die angespannte Situation je nach ihrem Standort gezwungen, an ihre Beschäftigten Vergütungen und Zusatzleistungen zu gewähren, die weit über den tariflichen Rahmen hinausreichen. Nur so könne in vielen Fällen die Betriebskapazität voll ausgenützt werden.

Verschärfend wirke sich dabei aus, daß immer mehr junge Gehilfen aus der Branche abwandern, um eine bequemere und saubere Beschäftigung zu suchen. Der Nachwuchsmangel sei inzwischen so groß, daß nur noch 50 v. H. der vorhandenen Ausbildungsplätze besetzt werden könnten. Wie Präsident Robert Birkeneder und Geschäftsführer Otto Schmidt übereinstimmend betonten, wendet sich das Schlosser- und Maschinenbauerhandwerk entschieden dagegen, die Lehrzeit zu verkürzen und die Berufsausbildung weiter zu „verschulen“.

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