28. Februar 1968: Kehraus von der Sonne vergoldet

28.2.2018, 07:00 Uhr
28. Februar 1968: Kehraus von der Sonne vergoldet

© Friedl Ulrich

Bei einem hochoffiziellen Empfang der Stadt gab es bereits am Morgen eine Beerdigung erster Klasse. Oberbürgermeister Dr. Andreas Urschlechter sammelte bei "sauren Zipfeln" und köstlichem Frankenwein im Heilig-Geist-Spital beim Prinzenpaar wieder die Insignien seiner Macht ein. 

An der Seite Ihrer Lieblichkeit Gerlinde I. schritt Seine Tollität Valentin I. den städtischen Gastgebern entgegen. Sichtlich abgekämpft, aber doch frohen Mutes, fand der Prinz: "Wir haben es geschafft!" Die Strapazen von fast 100 Veranstaltungen, bei denen die närrischen Herrscher über 500 Rosenpokale und Orden unter ihr Volk brachten, schienen vergessen, als Valentin I. im weißen Frack bekannte: "Es war eine wunderbare Zeit!" Auch die Prinzessin pflichtete ihm bei: "Ich hätte nie gedacht, daß der Fasching in Nürnberg so lustig sein kann."

28. Februar 1968: Kehraus von der Sonne vergoldet

© Friedl Ulrich

Das Stadtoberhaupt gab das Kompliment zurück. "Wir hatten ein charmantes Prinzenpaar, das unsere Bürger gut in Schwung hielt", sagte Dr. Urschlechter. Dabei wurde er von lautem Beifall unterbrochen, den ihm viele Ratsherren, die Abordnungen sämtlicher Karnevalsgesellschaften und die Spitzen des Festausschusses zollten. Mit galanten Worten versüßte der OB die schmerzliche Stunde des Abschieds. "Es tut mir leid. Aber ich kann nicht anders. Jetzt muß ich euch ins Exil schicken".

Dr. Urschlechter war zum Faschings-Kehraus nicht mit leeren Händen gekommen. Der liebreizenden Prinzessin (Hab herzlichen Dank, Andreas)  überreichte er einen Radioapparat – nicht ohne Hintergedanken. "Wenn du mich künftig schon nicht mehr so oft siehst, kannst du mich wenigstens hören", meinte der OB lachend und fügte hinzu: "Auf jeden Fall alle sechs Monate im Frauenfunk." Für den Prinzen, Festausschuß-Vorsitzenden Hans Bernhard und die übrigen Faschingsoberen hatte der Rathaus-Boß einen "Merian" parat – "Damit Ihr Euch in Nürnberg zurechtfindet, nachdem Ihr sowieso schwer nach Hause findet."
"Sieben Wochen lang haben wir das Zepter geschwungen" antwortete Valentin I. mit rauchiger Stimme. "Es fällt uns wirklich schwer, von der närrischen Bühne abzutreten."

Für einen beschwingten Auftrieb beim närrischen "Sit-in" der Faschingsmatadoren sorgte der Festausschuß-Präsident Hans Bernhard. Der um Ehrenbezeigungen nie verlegene Narren-Obere knöpfte sich Oberbürgermeister Dr. Urschlechter vor. Dem Stadtoberhaupt, das im vergangenen Jahr zum Doktor humoris causa der 8. Fakultät ernannt worden war, nahm er das Barett vom grauschwarzen Haupt und setzte ihm einen richtigen Doktorhut auf.

Auch Bürgermeister Franz Haas sollte nicht leer ausgehen. "Mir ist aufgefallen", dozierte Hans Bernhard weiter, "daß der OBM-Stellvertreter immer die gebrauchten Hüte seines Chefs trägt." Prompt zierte er ihn mit Dr. Urschlechters Barett und meinte: "Wir setzen diese Methode fort. Wenn wir elf Doktoranden haben, können wir uns von ihnen getrost vertreten lassen."

Abseits von solchen Zeremonien dachten die meisten Nürnberger am gestrigen Faschingsletzten nur an den vorverlegten Dienstschluß und flüchteten alsbald um die Mittagszeit vom Arbeitsplatz. Einzeln oder in Gruppen bevölkerten sie die Straßen – und verschwanden alsbald wieder.

Die Zahl der wirklichen Faschingsbummler blieb – gemessen an dem, was die Polizei in den vergangenen Jahren registrierte – sehr klein. Was hätten sie auch sehen sollen? Nachdem die Welle zwischen Mittag und 14 Uhr etwas agbeebbt war, gab es kaum Anlaß zu Bewunderung, weil Kostüme rar waren und die wenigen, zu öffentlichen Mummenschanz aufgelegten Nürnberger allerhöchstens ein Hütchen auf dem Kopf trugen.

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