28. Mai 1966: Eleganz in Sandstein

28.5.2016, 07:00 Uhr
28. Mai 1966: Eleganz in Sandstein

© Gerardi

Zwanzig Jahre lang ragten die verwitternden Reste der einstigen "steinernen Behausung", die Lorenz Tucher vor 400 Jahren auf familieneigenem Grund und Boden hatte errichten lassen, in der Sebalder Steppe gen Himmel. Ein Erker an der Straßenfassade, geschmückt mit einem Relief, das den Sündenfall darstellte, und mit einem zierlichen Elefanten auf einer Halbkugel als Konsole, leere Fensteröffnungen mit Stabprofilierungen, der Treppenturm an der Hofseite: das war übrig geblieben von einem der bezauberndsten Zeugnisse damaliger Baukunst.

Heute hämmern wie Anno 1533 die Steinmetzen am Treppenturm, setzen den hölzernen Dachstuhl für die Zwiebelkuppeln auf, geben Giebeln, Säulen und Fassaden das alte Profil. In anderthalb Jahren, so hofft Bauherr Dr. Hans Christoph Freiherr von Tucher, wird das Gartenhaus seiner Väter wieder aufgebaut.

Die Geschichte dieses Hauses ist ein Stück Kulturgeschichte Nürnbergs und der Patrizierfamilie Tucher. Grundbesitz galt als ein Fundament sicher angelegten Vermögens, er war obendrein das beste Dokument für Reichtum und Ansehen einer Sippe. Vornehmlich auf der Sebalder Seite besaßen die Tucher ihre Häuser. Auf ihrem Grund und Boden am Treibberg ließ Lorenz Tucher zwischen 1533 und 1544 das jetzige Gartenanwesen errichten, damals als seine "steinerne Behausung" ein Bauwerk, das auffiel. Wer sein Architekt gewesen ist, läßt sich nicht mehr feststellen, doch dürfte Peter Flötner erheblichen Einfluß auf die innere und äußere Gestaltung gehabt haben.

Französische Schlösser als Pate

An der Schwelle zwischen Gotik und Renaissance entstanden, ist das Gartenschloß von den beiden Stilrichtungen geprägt. Die französischen Schlösser an der Loire haben ohne Zweifel Pate gestanden bei seinem Entwurf. Wie reizvoll sich die Epochen mischen und die Wirkung dennoch einheitlich ausfällt, zeigt fast jede Einzelheit: Renaissancemotive finden sich an der Hoffassade, die durch den turmartigen Treppenaufgang in zwei ungleichen Hälften geteilt wird. Eine marmorne Mittelsäule trennt die zwei Portale, durch die man vom Hof ins Haus gelangt, darüber fällt ein Relief mit Petri Fischzug auf. Die Vertikale wird wieder aufgenommen durch Viertelsäulen, die in die Fassade eingebettet sind und sie gliedern.

Gotisch mutet die Gartenseite an: hier erinnert der Treppengiebel mit seinen eingebundenen Säulen, die erst über dem Dach sich voll runden, an den gotischen Papstpalast in Avignon. Solche Mischungen aus beiden Stilen weist das Tucherschlößchen in reichem Maße auf. Reizvoll war auch der Gegensatz zwischen dem hohen, schmalen Sandsteinbau und seiner grünen Umgebung. Bäume, Büsche und Blumen umgaben das Haus auf zwei Seiten, während die Straßenfront sich verschlossen und fast fensterlos präsentierte.

Die anliegenden Gebäude sollen leicht modifiziert wieder aufgebaut werden, doch bleibt der historische Charakter erhalten. Die ganze Anlage steht nach wie vor unter Denkmalschutz, das Landesamt für Denkmalpflege hat beratende Funktion.

Übers Jahr werden die Nürnberger das Schlößchen einst zwischen Laufer Schlagturm und Laufer Torturm innerhalb der Stadtmauer gelegen, wieder betrachten können, und sich an seiner Schönheit erfreuen.

Verwandte Themen


Keine Kommentare