3. Februar 1968: Bauern drohen Händlern

3.2.2018, 07:00 Uhr
3. Februar 1968: Bauern drohen Händlern

© Kammler

Ganz unbeschwert konnten die Damen vom Lande jedoch bei diesem Kränzchen nicht plauschen, weil ihnen die Männer ernste Sorgen auftischten. Der Direktor des Mittelfränkischen Bauernverbandes, Diplomlandwirt Heinrich Ermann, ermahnte die weibliche Gesellschaft eindringlich, noch mehr als bisher auf ihre Kasse zu achten. "Wir dürfen nicht um jeden Preis auf den Markt gehen, denn wir müssen wissen, was unsere Ware wert ist", rief er aus und drohte eine Erzeugergenossenschaft für den Fall an, daß sich der Handel künftig nicht als fairer Partner erweise.

Vor allem forderte Ermann seine "Lieben Bäuerinnen" auf, die Pfennige der Mehrwertsteuer nicht zu verachten. "Kleinvieh macht auch Mist..." Das Kaffeekränzchen in dem Ronhofer Gasthof Engelhard offenbarte, wie vielfältig die Gesichter der Landfrauen von heute sind. An den langen Tischreihen saßen nebeneinander die Bäuerin vom alten Schlag aus dem alten Hof und die beinahe mondäne Frau aus einem modernen Gemüseanbaubetrieb. Draußen vor dem Saale herrschte Parkplatznot, denn die Bauern des Knoblauchslandes hatten an diesem Nachmittag mit ihrer besseren Hälfte auch auf den Wagen verzichten müssen. Männer waren nur in offizieller Mission zugelassen, trumpften jedoch lautstark auf.

Schattenseiten entdeckt

Direktor Ermann entdeckte am sonnigen Jahr 1967 viele Schattenseiten für seinen Stand. Die Ernten in allen europäischen Ländern sind so gut ausgefallen, daß das Warenangebot höher und höher gestiegen, die Preise aber tiefer und tiefer gesunken sind. Er fordert deshalb einen Mindestpreis für Obst und Gemüse nach dem EWG-Recht, das beispielsweise Frankreich ausübt. "Wir haben mehr als 10 Millionen DM in das Knoblauchsland investiert, um wirtschaftlich arbeiten zu können; jetzt gilt es, unseren Schuldenberg abzubauen und den Lohn für unsere Opfer einzubringen", sagte Ermann, der selbst aus Schniegling stammt.

Der Bauernführer ging scharf mit dem Handel ins Gericht, der sich streng nach dem preisregulierenden Grundsatz von Angebot und Nachfrage richte, dabei jedoch den Bauern als Partner vergesse. Er bat seine Kolleginnen dringend, sich des Wertes ihrer eigenen Arbeit bewußt zu sein. "Wenn wir einen gerechten Preis fordern, muß der Verbraucher nicht mehr zahlen als vorher, denn die Handelsspanne ist groß genug", betonte Heinrich Ermann. Auf lange Sicht könne nur eine gute Partnerschaft verhindern, daß die Bauern mit einer eigenen Verkaufsorganisation den Handel ausschalten.

"Die Mehrwertsteuer war für die Landwirtschaft ein Prüfstein, aber diese Prüfung haben wir bisher schlecht bestanden", meinte der Direktor des Bauernverbandes und verwies darauf, daß vielfach von seinen Kollegen auf die Mehrwertsteuer verzichtet worden sei, weil Händler gedroht hätten, sie würden zum Nachbarn auf dem Markt gehen. "Andere genieren sich nicht, die fünf Prozent in Pfennigen zu kassieren. Daher sollten auch wir uns nicht vorwerfen lassen, der Bauer hat das Rechnen nicht gelernt", sagte Ermann. Mitleid mit den Handelspartnern sei nicht angebracht, denn sie können den Betrag von 5 v.H. beim Finanzamt absetzen.

Welche Summen bei dem Verzicht auf Pfennige herauskommen können, rechnete Oberamtmann Otto Betz den Landfrauen vor. An einem Warenumschlag von 110.000 Tonnen auf dem Großmarkt im Jahr 1967 waren die Betriebe des Knoblauchslandes mit über 27 000 Tonnen beteiligt, ein Jahr vorher mit 20.000 an dem Aufkommen von 105.000 Tonnen. Betz versicherte hoch und heilig, daß die Stadt ihren Marktgebühren am 1. Januar nur die Mehrwertsteuer aufgeschlagen hat.

Beifall der Bäuerinnen belohnte die redenden Männer, zumal Ermann seinen Vortrag mit dem Wort eines Kollegen aus der letzten Sitzung des Gemüseerzeugungverbandes zum Thema Steuer hatte abschließen können: „Alles wär‘ schö und gut, aber sagt des amol unsere Weiber!“ Kreisbäuerin Marie Bauer aus Krottenbach meinte ob solch interessanter Nachrichten: "Es ist bloß schade, daß manche Bäuerin nicht die Zeit herausgebracht hat, um hier zu sein..."

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