30. Dezember 1965: Unfallfreie Knallerei

30.12.2015, 07:00 Uhr
Vielfältig ist das Sortiment, mit dem die pyrotschnische Industrie ihre Kunden lockt. Es reicht vom ungefährlichen Scherzartikel bis zu den Kanonenschlägen und Raketen, deren Kugeln in der Silvesternacht den Himmel wieder in allen Farben leuchten lassen werden.

© Ulrich Vielfältig ist das Sortiment, mit dem die pyrotschnische Industrie ihre Kunden lockt. Es reicht vom ungefährlichen Scherzartikel bis zu den Kanonenschlägen und Raketen, deren Kugeln in der Silvesternacht den Himmel wieder in allen Farben leuchten lassen werden.

Kaum hatte gestern der Verkauf begonnen, da drängten sich bereits die ersten Kunden an den Ladentheken mit den bunt aufgemachten explosiven Erzeugnissen der pyrotechnischen Industrie. Sie alle möchten das neue Jahr zünftig willkommen heißen und lautstarken Salut in den Himmel schießen. Denn nur in der Silvesternacht dürfen die schweren Kaliber der Klasse II – dazu gehören Schwärmer, Heuler, Frösche und Kanonenschläge – angezündet werden.

Allerdings empfiehlt sich Vorsicht beim Umgang mit der friedlichen Zwecken dienenden „Munition“. Sie ist nichts für Kinderhände. Einige bedauerliche Vorfälle in den letzten Tagen sollten insbesondere die Eltern warnen. Der Gesetzgeber hat nicht ohne Grund strenge Bestimmungen erlassen, die unter anderem verlangen, daß Verkäufer über 18 Jahre alt sind und diese Vorschriften genau kennen. Außerdem dürfen die Knallkörper nicht ohne weiteres den Besitzer wechseln: der Kunde muß ebenfalls über 18 Jahre alt sein, wenn er sich mit der Klasse II versorgt.

Die Paragraphen haben allerdings keinen negativen Einfluß auf das Geschäft, bei dem in der Bundesrepublik innerhalb von zwei Tagen – über den Daumen gepeilt – fast zwei Milliarden Mark umgesetzt werden. „Ich habe sogar Studenten zur Aushilfe beschäftigt“, meint ein Nürnberger Herrenausstatter, der sich seit zehn Jahren das Saisongeschäft nicht entgehen läßt.

Trotz der Achtung, die von den Geschäftsinhabern den Vorschriften entgegengebracht wird, geraten immer wieder nicht nur die harmlosen Scherzartikel der Klasse I, sondern auch Kanonenschläge oder Frösche in die Hände der Kinder, die während der Ferien viel Zeit haben und manchmal auf dumme Gedanken kommen, zumal, wenn sie noch einige Mark in der Tasche stecken haben.

In der Hosentasche eines elfjährigen Schülers befanden sich allerdings statt des Geldes schon einige Feuerwerkskörper. Sie explodierten und verletzten den Jungen an Ober- und Unterschenkeln. Inzwischen hat sich herausgestellt, daß keineswegs ein Unbekannter die gefährlichen Gegenstände klammheimlich in die Hosentasche geschmuggelt hat, sondern der Elfjährige selbst. Weil sich außerdem noch eine Streichholzschachtel darin befand, entzündete sich schließlich die Lunte eines Knallkörpers an der Reibfläche, zumal der Junge beim Fußballspielen obendrein für kräftige Bewegung sorgte. Bei der Explosion ging glücklicherweise ein Kanonenschlag nicht los, den er in die andere Hosentasche gesteckt hatte.

Kriminalobermeister Christian Herzog, der stellvertretende Leiter des Kommissariats III, berichtete außerdem, daß schulpflichtige Kinder in der Voltastraße ein seltsames Feuerwerk veranstaltet haben. Sie warfen die entzündeten Knallkörper auf vorüberfahrende Autos. Ein Schwärmer fiel auf die Windschutzscheibe eines Wagens, dessen Fahrer zu Tode erschrak und ruckartig bremste. Welche Folgen ein gewaltsames Halten unter unglücklichen Umständen haben kann, weiß jeder Kraftfahrer. In der Voltastraße kam niemand zu Schaden. Als jedoch die alarmierte Polizei am Tatort erschien und nach den Unfug stiftenden Jugendlichen Ausschau hielt, traf sie keinen mehr. Sie hatten längst die Beine unter Arme genommen.

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