31. August 1965: Ein neues Stück frei

31.8.2015, 07:00 Uhr
31. August 1965: Ein neues Stück frei

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Deshalb muß der Baubeginn für den Nordteil von Langwasser nicht, wie schon befürchtet worden war, weiter hinausgeschoben werden. Vielmehr können die Vorerschließungen und alle weiteren Arbeiten nun programmgemäß anlaufen. Damit geht das größte Wohnungsbauprojekt der Stadt seiner zweiten großen Entwicklungsphase entgegen: dem Ausbau der nördlichen Hälfte. Als erster Teil soll mit der Nachbarschaft U – westlich der Oppelner Straße – begonnen werden. Doch bevor hier die erste Fensterscheibe verglast ist, sollen auf der Langwasserwiese bereits die Märzfeldtürme gesprengt sein.

Der Direktor der WBG, Diplom-Volkswirt Josph Haas, zeigte sich über die Freigabe des ehemaligen amerikanischen Übungsgeländes sehr erleichtert. „Wir sind durch die offizielle Übergabe des Geländes an uns äußerst optimistisch geworden, optimistischer als je zuvor“, meinte er. Freilich hat die Sache vorläufig noch einen Haken: im Norden der Langwasserwiese haben sich die US-Streitkräfte noch einen Hubschrauber-Flugplatz und Raum für verschiedene Materiallager vorbehalten. Sie sollen erst 1966 bis 1967 geräumt sein.

In den nächsten Wochen wird die WBG daher eingehend prüfen, ob beim Abbruch der Türme nicht eine Teillösung wirtschaftlich vertretbar wäre. In diesem Fall würde man im Süden mit den Sprengungen beginnen. Schon jetzt steht fest, daß die Beseitigung dieser letzten Reste des Dritten Reiches in der Weltöffentlichkeit Aufsehen erregen wird. Nachrichtenagenturen und Wochenschauen haben die WBG nämlich ersucht, auf der Langwasserwiese photographieren und filmen zu dürfen, wenn die steinernen Kolosse in sich zusammensacken.

Beim Sprengen der Türme und Zwischenwälle werden nach den vorliegenden Berechnungen rund 130 000 Kubikmeter Masse anfallen; der Bebauungsplan des verstorbenen Architekten Franz Reichel und seines Mitarbeiters und Nachfolgers Albin Hennig sieht vor, das anfallende Material zusammen mit der bei den Planierungsarbeiten gewonnenen Erde gleich an Ort und Stelle zu einem bis 17 Meter hohen Lärmschutzwall anzuschütten, damit möglichst wenig Masse bewegt werden muß. Teilweise gestattet es die Höhe des Walles sogar, einzelne Türme ganz stehen zu lassen und „einzugraben“.

All diese Erwägungen sind jetzt in greifbare Nähe gerückt. Der Südteil der Trabantenstadt befindet sich in verschiedenen Baustadien, abgesehen von drei Nachbarschaften, die zu Experimentierzwecken ausgeklammert bleiben, und ist für die Planer in seiner Konzeption nicht mehr interessant; der Nordwestteil wird gegenwärtig vorerschlossen – so legt man die Trasse seiner zukünftigen ringförmigen Wohnsammelstraße bereits an, vermißt das Gelände und will noch in diesem Jahr mit den Brückenbauten für die Straßenkreuzungen beginnen; die Nachbarschaft U mit ihren 2300 Wohnungen ist fix und fertig geplant.

Und für den rund 100 Hektar großen Nordostteil ist mit der Freigabe die letzte Barriere gefallen. Wo heute wieder Schafe weiden, werden bald die Bulldozer dröhnen.

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