4. Februar 1966: Große Liebe zu kleinen Dingen

4.2.2016, 07:00 Uhr
4. Februar 1966: Große Liebe zu kleinen Dingen

© Gerardi

Frau Dr. Lydia Bayer wird hier das Erbe ihrer Mutter mit der Liebe und Begeisterung weiterpflegen dürfen, die sie von ihrem Elternhaus mitbekommen hat: Sie ist zur Museumsleiterin bestellt und hat ihr Amt schon angetreten.

Einige Kostproben aus der reizenden Sammlung können die Nürnberger bald sehen, denn Ende nächster Woche wird die Ausstellung „Kind und Spiel“ in der Fränkischen Galerie eröffnet. Diese Schau soll der Bevölkerung zeigen, daß der Beschluß des Stadtrats richtig war, im Hause Karlstraße 13 ein Spielzeugmuseum zu schaffen. Obwohl Nürnbergs Finanzen nicht zum besten stehen, sind alle Fraktionen für eine solche liebreizende Einrichtung eingetreten, die gar keinen besseren Platz finden kann als in der Stadt der Spielwaren und der einschlägigen internationalen Messe. Kulturreferent Dr. Hermann Glaser hofft obendrein, daß großherzige Spender dieses Projekt fördern werden.

„Es ist jammerschade, daß meine Mutter den Tag dieser Ausstellungseröffnung nicht mehr erleben kann“, sagt Dr. Lydia Bayer, „denn sie hat von Kindesbeinen an die Dinge zusammengetragen.“ Die Geschichte der Sammlung, von der heute niemand zu sagen weiß, aus wie vielen Einzelstücken sie besteht (ein Modeladen hat beispielsweise 1300 verschiedene Stücke), fing eigentlich mit einem Verzicht der Mutter an.

Spielzeug im Luftschutzgepäck

Sie hatte von ihren Eltern ein Puppenstübchen geschenkt bekommen – das Gehäuse kostete damals eine Mark, der Inhalt 90 Pfennig und ein Spiegel 10 Pfennig – und es drei Jahre später an ein armes Nachbarskind weggeben müssen. So sehnlich sich die Mutter seinerzeit einen Kaufladen wünschte, sie bekam den Traum erst im ersten Ehejahr zu Weihnachten von ihrem Mann für 23 000 Mark in der Inflation erfüllt. „Das hat ihre Leidenschaft erneut befeuert!“ Aus solchen Anfängen erwuchs Stück für Stück eine bedeutende Sammlung, zu der auch Nachbarn und Freunde ihren Teil beigetragen haben.

Die Tochter und heutige Museums-Leiterin ist schon zeitig von der Liebe zum Spielzeug berührt worden. Obschon in Ingolstadt geboren, hat Lydia Bayer die Zeit von 1933 bis 1950 (ihr Vater war damals Generaldirektor der Städtischen Werke) und all die schlimmen Kriegsjahre in Nürnberg erlebt. „Als Luftschutzgepäck nahmen wir unsere Spielsachen mit in den Keller“, erzählt sie. Ihre kunsthistorischen Studien an den Universitäten Würzburg und Erlangen hat Lydia Bayer – wie könnte es anders sein – mit einer Dissertation über das Thema „Das europäische Puppenhaus von 1550 bis 1800 – Geschichte und Formen, ein Spiegelbild der gleichzeitigen Wohnkultur“ abgeschlossen.

In all´ den Jahren hatte sich so viel Spielzeug bei der Familie angehäuft, daß sie sich 1955 im Stuttgarter Landesmuseum erstmals mit einer Ausstellung an die Öffentlichkeit wagte. Ein Jahr später zeigten sie in Dortmund 7000 bis 8000 Einzelteile, wiederum nur einen Bruchteil ihres Besitzes. Die Bayers waren inzwischen als Spielzeug-Liebhaber so bekannt geworden, daß sich viele Leute entschlossen, ihnen einen alten Puppenwagen oder ein ergrautes Schaukelpferd zu schenken, statt diese Dinge für Geld ans Ausland zu geben.

In Würzburg bekam die Sammlung schließlich einen festen Platz, denn hier hatten sich die Bayers nach dem Kriege niedergelassen. In ihrem Privatmuseum zeigten sie in drei Jahren sieben Ausstellungen mit Themen wie „Im Puppenreich“, „Holzspielzeug unter dem Weihnachtsbaum“, „Puppe und Mode – einst und jetzt“, „Zerbrechliche kleine Welt“ und zum Schluß „Buchi – Buchi“. Es war Lydia Bayer stets klar, daß sie den schönen Besitz nicht in Privathand wird halten können. Er ist ihr aber nicht aus den Händen geglitten, denn sie ist nun Nürnbergs Puppenmutter.

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