4. Juni 1965: Abschied vom Schloß

4.6.2015, 07:00 Uhr
4. Juni 1965: Abschied vom Schloß

© Gerardi

Die Behörde rückt wieder in die Mitte ihres Kreises, so daß der Bevölkerung zeitraubende Wege erspart bleiben. „Wir ziehen fröhlichen Herzens nach Nürnberg“, sagt Landrat Emil Freiherr von Stromer, der mit seinen 100 Mitarbeitern lange genug in dem alten Altdorfer Schloß gehaust hat. Das Amt war in das Städtchen verschlagen worden, nachdem es sein Haus in der Zeltnerstraße bei einem Bombenangriff verloren hatte.

Seine erste Heimstatt fand es im Amtsgerichtsgebäude, in dem der heutige Landrat früher einmal praktiziert hatte, später mietete es das Schloß des bösen Ansbacher Markgrafen vom bayerischen Staat. Das Leben in den alten Mauern war für die Beamten freilich alles andere als fürstlich. Weil das Haus unter Denkmalsschutz steht, durfte nichts verändert werden. Während die Mitarbeiter der verschiedenen Behörden in kleinen Räumen zusammengedrängt saßen, mußte der Platz für riesige Dielen verschenkt bleiben. Die hohen Räume waren schwer zu beheizen, um so mehr als die Dampfheizung nicht ganz in Ordnung ist.

4. Juni 1965: Abschied vom Schloß

© Gerardi

Dennoch möchte Landrat vom Stromer das Gebäude dem bayerischen Staat abkaufen, um dort die zurückbleibenden Abteilungen seines Amtes – Rechnungsprüfungsstelle, Ausgleichsamt und Straßenbautrupp – unterbringen zu können. Es soll auch die Landwirtschaftsschule und eine zweite Großraumstation der Polizei aufnehmen. Der Landkreis bietet für das Schloß 150.000 DM, der Staat aber fordert das Doppelte.

Trotz vieler Widerwärtigkeiten in der Vergangenheit ist dem Landratsamt der Abschied vom Schloß bis auf den heutigen Tag nicht leicht gemacht worden. Zuerst war ihm eine alte Kaserne an der Bärenschanzstraße für den Fall der Rückkehr angeboten worden, später das Landbauamt in der Marienstraße. In beiden Fällen lehnte von Stromer dankend ab. Dem Ruf in einen Anbau des „weißblauen Regierungsviertels“ konnte er sich nun aber nicht mehr entziehen, wenngleich es auch hier von allem Anfang an eng zugehen wird.

Obwohl sich das Landratsamt an dem Bau finanziell beteiligen mußte (mit einem Zuschuß von 218.000 DM kommt es noch billig weg), sind ihm sieben Räume weniger zugeteilt worden, als es schon vor zehn Jahren verlangt hatte. Manche Zimmer sind nicht gerade größer als 10 Quadratmeter. „Ich habe weniger Platz als im alten Schloß“, erklärt Freiherr von Stromer, der bislang schon in keinem großen Raum residierte. Aber dieses Problem macht ihm nicht allein Sorgen.

Schwierigkeiten werden auch beim Zusammenspiel der Behörden befürchtet, die künftig teils in Nürnberg, teils in Altdorf sitzen werden. Der Landrat ist gespannt, welche Telephonrechnung ihm nach dem ersten Vierteljahr präsentiert wird, denn er glaubt: „Wir werden Unsummen bezahlen müssen!“ Die Landkreisverwaltung hat schon an eine eigene Leitung zwischen Nürnberg und Altdorf gedacht, für die sie 12.000 DM und monatliche Gebühren von 300 bis 400 DM an die Post bezahlen müßte. Vorerst soll abgewartet werden, was die Gespräche in den ersten drei Monaten kosten.

Aber der Landrat verkennt auch die Sonnenseiten seines neuen Sitzes nicht. „Das Amt liegt sehr schön“, sagt er, man hätte nur noch ein Stockwerk höher bauen müssen, dann wäre dagegen überhaupt nichts zu sagen. Die Stadt aber habe es abgelehnt, den Bau aufstocken zu lassen. Von Stromer erinnert daran, daß seine Behörde schließlich 80 000 Einwohner des Landkreises betreuen muß und daher starker Parteiverkehr zu erwarten ist. Gerade wegen der Bürger nämlich zieht das Amt nach Nürnberg.

In den zurückliegenden Jahren kam der Besuch des Landratsamtes in Altdorf für viele Bewohner aus den Gemeinden des Kreises einer Tagesreise gleich. Wer aus Schwaig oder gar aus Stein etwas bei den Behörden zu erledigen hatte, war oft stundenlang unterwegs, ehe er an sein Ziel kam. Die zentrale Lage Nürnbergs soll solche zeitraubenden Wege ersparen helfen. Dennoch sind nicht alle glücklich über den Umzug des Landratsamtes: die Altdorfer trauern „ihrer“ Behörde nach.

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