5. Juli 1965: 50.000 Zuschauer am Norisring

5.7.2015, 07:00 Uhr
5. Juli 1965: 50.000 Zuschauer am Norisring

© Ulrich

50.000 Zuschauer sahen gestern bei geradezu idealem Wetter, nachdem es am Samstag sehr kühl und bis zur Mittagsstunde regnerisch war, auf dem Norisring ganz hervorragende Rennen, die bis auf eine kleine Kollidierung des Tölzers Toni Fischbacher und des Engländers Williams – wobei beide sich nur geringfügige Beulen an ihren Fahrzeugen einhandelten, unfallfrei verliefen. Ein besonderer Höhepunkt war durch den ständigen Führungswechsel des vierfachen Weltmeisters Deubel/Hörner mit dem Sindelfinger Kölle/Marquardt, die sich als ein äußerst harter Widersacher erwiesen hat, das Seitenwagen-Rennen an, bei welchem Manfred Schiek, von dem Engländer Eric Elford gefordert, als schnellster Fahrer den 1.000-DM-Preis des ADAC-Gau Nordbayerns gewann.

Ferner sorgte für Stimmung im Rund das Sportwagen- und Prototypen-Rennen mit Weltklassebesetzung, bei dem der phantastisch fahrende Gerhard Müller auf seinem unwahrscheinlich schnellen neuen Porsche Spyder 8-Zylinder einen neuen absoluten Norisring-Rundenrekord aufstellte und als schnellster Fahrer des Tages damit auch den Ehrenpreis der Stadt Nürnberg gewann. Ein guter Abschluß war das Grand-Tourisme-Rennen, bei dem es zu einem erneuten Kräftemessen zwischen Porsche und Abarth kam, das mit einem 2:0-Sieg für das Haus Porsche endete. Den Ehrenpreis der „Nürnberger Nachrichten“ erhielt in der Sonderwertung für den besten Porsche S 90 – Fahrer Lothar Dongus aus Stuttgart. Der Motorsport-Club Nürnberg im ADAC, sein Vorsitzender RA Dr. Oskar Richt und Rennsportleiter Gernot Leistner dürfen nach dem so guten Ablauf und über das sehr gelungene diesjährige ADAC-Norisring-Rennen höchst zufrieden sein.

Deubel-Hörner wurden besiegt

Einen vielverheißenden, ja großartigen Auftakt nahm die Veranstaltung mit dem Seitenwagenrennen. Den Zweiflern zum Trotz war das vierfache Weltmeisterschaftsgespann Deubel-Hörner doch gekommen. Es gab einen faszinierenden Zweikampf zwischen Deubel/Hörner und Kölle/Marquardt, Sindelfingen. Schon nach der ersten Runde lagen Kölle/Marquardt in Führung. In der 6. Runde überholten aber „Max und Moritz“, wie die Mühlenauer Seitenwagenfahrer genannt werden, vor dem Start und Zielhaus.

5. Juli 1965: 50.000 Zuschauer am Norisring

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Lange Zeit fuhren dann die Sindelfinger im Windschatten des Weltmeistergespanns, um dann erneut vorzustoßen und einen knappen, vielumjubelten Sieg vor Deubel/Hörner zu erringen. Das Sindelfinger Gespann setzte alles auf eine Karte, riskierte in den Kurven mehr als Deubel/Hörner, die ja mit der zweiten Maschine motorisch dem Sieger etwas unterlegen waren. Durch fahrerisches Können konnte das Weltmeistergespann dies jedoch nicht ausgleichen, um so weniger, als sie sich wegen des Weltmeisterschaftslaufes in Spa vielleicht etwas zurückhielten. Nach der Siegerehrung fuhren Deubel/Hörner sofort vom Nürnberger Flughafen nach Belgien.

Walter Zellers Rekord gebrochen

16 Solomotorräder der 500-ccm-Lizenz-Klasse hatten sich qualifiziert. Der Trainingsschnellste Butz aus München auf Blanchi hatte sich viel vorgenommen. Er wollte unbedingt den Rekord Walter Zellers, den dieser vor acht Jahren mit 141,8 km/st aufgestellt hatte, überbieten. Butz drehte so mächtig auf, daß er bereits in der 1. Runde 150 m vor dem Verfolgerfeld lag. Er baute seinen Vorsprung weiter aus und in der 13. Runde führte er mit sechs bis sieben Sekunden Vorsprung klar. Damit war Zellers Bestleistung mit 142,1 km/st gebrochen. Butz hatte dabei jedoch seine Maschine überfordert, so daß während der 13. Runde Karl Hoppe aus Diekholzen auf Matchless an ihm vorbeiging; gleichzeitig mußte Butz an die Boxen und aufgeben.

Sieger wurde Hoppe vor Melcher, Solingen auf Norton, Butenuth, Dortmund auf BMW. Die schnellste Runde des Siegers war 134,66 km/st, jene von Butz 138,9 km/st. Da bei den Solomotorrädern die Distanz über 26 Runden ging und der größte Teil der Fahrer mit älteren Maschinen an den Start gingen, begann nach der 20. Runde ein großes Sterben, so daß nur zehn Fahrer durchs Ziel gingen.

Formel-V-Wagen – eine „Schau“

Mit großer Spannung erwarteten die Zuschauer die neuen Rennpisten-Debütanten, die Formel V-Rennwagen. Porsche-Betreuer Huschke von Hanstein hatte die Nachwuchsfahrer aus dem Fahrerfeld selbst ausgesucht, wobei sich die nordbayerischen Nachwuchsfahrer gut bewährt haben. Die Wagen wurden ausgelost und alle hatten auf diesem Monoposto – Formel V-Rennwagen mit unverkleideten Rädern – auf der Konstruktionsbasis des VW 1.200 – also gleiche Chancen. Nach der 1. Runde erschien der Nürnberger Gnuva als erster vor dem Würzburger Schmitt und dem Stuttgarter Kaiser und dem Erlanger Scheuermann. Hinter dieser Spitzengruppe kam dicht aufgeschlossen das übrige Feld.

In der vierten Runde fiel Gnuva zurück und der Würzburger Schmitt seine Spitzenposition fast ständig und ging als Sieger vor dem Erlanger Scheuermann und dem Stuttgarter Kaiser durchs Ziel. Auf den 4. Platz kam ein weiterer nordbayerischer Fahrer, Rudolf Schmidt, Eschenau. Gnuva, der Schaltschwierigkeiten hatte, landete auf dem letzten Platz. Wenn auch das Formel-V-Rennen noch in den Kinderschuhen steckt, so darf man sich noch viel von diesen neuen Wagen versprechen; fuhr doch der Sieger immerhin mit 115,9 km/st seine schnellste Runde (Schnitt 111,9 km/st). Zu dem Erfolg unserer Jungen nordbayerischen Fahrer, die ja alle bei den Zuverlässigkeitsfahrten, besonders in diesem Jahr, eine Reihe von Klassensiegen erringen konnten, kann gratuliert werden. Mochten die Wagen auf der Geraden auch langsam erscheinen, in den Kurven zeigte sich doch, wer fahren konnte.

Schnitzer und Elford die Schnellsten

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Gemeinsam, aber mit getrennter Wertung, wurden die Tourenwagen Klasse bis 1600 ccm und 2000 ccm gestartet. Insgesamt gingen 19 Fahrzeuge auf die Strecke. J. Schnitzer, der mit Abstand das stärkste Triebwerk hatte, fuhr mit seinem BMW 1800 mit 132 km/st die schnellste Runde, aber auch der Engländer Elford kam mit seinem schnittigen Lotus Cortina mit der schnellsten Runde von 133,3 km/st ziemlich nahe an Schnitzer heran. Alle Teilnehmer waren Privatfahrer bis auf den Fahrer Schulze, der einen Werks-Alfa Romeo fuhr, aber in der Klasse bis 1600 ccm hinter dem Engländer Elford nur den 2. Platz schaffte. Mit weitem Abstand holte sich der Freisinger Schnitzer vor Peter Köpchen, Osterath, den Sieg.

Schick schleuderte – und siegte

Auch die Tourenwagen-Klasse bis 2500 ccm und über 2500 ccm wurden zusammen gestartet. Insgesamt waren es 13 Wagen. In überlegenem Fahrstil holte sich Manfred Schick, Möglingen, hier den Sieg. Er wollte es genau wissen und den 1000-DM-Preis des ADAC Gau Nordbayern als schnellster Tourenwagenfahrer gewinnen. Es war eine Meisterleistung, wie er die Kurvenkombination bewältigte. Obwohl er ins Schleudern kam und zweimal mit seinem 230 SE fast quer stand, schaffte er eine tolle Zeit. Keiner seiner Konkurrenten konnte ihn ernsthaft gefährden. Er siegte mit weitem Vorsprung bei einem Gesamtdurchschnitt von 131,22 km/st vor dem Ludwigshafener H. Dorner auf Mustang Ford, seine schnellste Runde war 133,9 km/st. In der Klasse bis 2500 ccm wurde Günther Schiemer, Berg.-Gladbach, auf Fiat 2300 mit einem Gesamtschnitt von 124,25 km/st Sieger vor Klaus Behrmann, Hamburg, auf Mercedes 220 SE.

Mitter überrundete alle

Fieberhafte Spannung lag über der Rennstrecke, als sich die Startflagge des Rennleiters Gernod Leistner zum Höhepunkt des Tages, des Rennens der Rennsportwagen und Prototypen, senkte. Die schnittigen Rennsportwagen waren die schnellsten in Deutschland existierenden 2-Liter-Sportwagen. Es war ein packendes Bild, als die Rennsportwagen und Prototypen über den Kurs jagten. Das Tempo war in den ersten 5 Runden enorm, so daß man die Frage stellen mußte, ob die 26 Runden durchgehalten werden konnten.

Wohl lag Gerhard Mitter aus Böblingen mit seinem neuen Porsche Spyder 1.800 ccm von Anfang an an der Spitze, aber dicht folgten ihm Hans Herrmann, Stuttgart, auf Abarth 2000 Sport, Sepp Greger auf Elva BMW und Toni Fischhaber, Bad Tölz, sowie der im Training so schnelle Williams (England), bis dann Fischhaber und Williams am Ende der Steintribüne kollidierten.

Williams mußte aufgeben, aber Fischhaber setzte das Rennen leicht beschädigt wieder fort. Auch Greger gab dann später wegen Motorschadens auf und schob seinen Wagen allein über die Ziellinie. Der großartig fahrende Mitter vergrößerte seinen Vorsprung vor Hans Hermann immer mehr; er betrug zuletzt fast 30 Sekunden, als Hermann in der 16. Runde an den Boxen hielt. Er gab wegen Schadens am Kühlungssystem auf. Damit hat Porsche das Duell glatt zu seinen Gunsten entschieden.

5. Juli 1965: 50.000 Zuschauer am Norisring

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Im weiteren Verlauf des Rennens überrundete Mitter alle Teilnehmer und stellte mit 156,21 km/st einen neuen absoluten Noris-Rundenrekord auf. Er übertraf damit den Rekordhalter des Vorjahres, den Schweizer Foitek, um fast eine Minute und überbot auch den Streckenrekord von Foitek (41:47,9) und damit den Gesamtschnitt mit 151,9 km/st. Der für das Rennen vorgesehene Le-Mans-Start unterblieb, da die Fahrer wegen des zu knappen Kurses stark benachteiligt worden wären. Gerade bei diesem Rennen stellte sich heraus, daß die Strecke gegenüber anderen Rennstrecken in Deutschland zwar unscheinbar erscheint, aber ungeheuer materialschlachtend ist durch das Herunterschalten und Hochtreiben der Motoren.

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