5. Oktober 1965: Anfang ist gemacht

5.10.2015, 07:00 Uhr
5. Oktober 1965: Anfang ist gemacht

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Alle guten Wünsche der Stadtverwaltung, der Arbeitsämter von Stadt und Land und der Leitung der städtischen Altersheime begleiteten die 22 Männer und Frauen, die sich für den neuen Beruf des Altenpflegers entschieden haben, auf ihrem ersten „Schultag“. Beim Begrüßungsrundgang durch das Sebastianspital, an dem sie ihre Ausbildung erhalten werden, wurden sie von den Insassen mit freundlichem Lächeln bewillkommnet.

Auf ihre neue Einrichtung darf die Stadt Nürnberg mit Recht stolz sein. Sie leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Linderung des Schwesternmangels, und sie macht überdies einen Anfang mit der Bewältigung des Problems der Altenversorgung überhaupt. „Wir sind diesem relativ jungen Tatbestand, daß nämlich immer mehr Menschen die uns zugemessene Altersgrenze erreichen, überhaupt noch nicht gewachsen“, sagte der Anstaltsarzt des Sebastianspitals, Dr. Winfried Jansen. „Die alten Menschen, die ein Leben voller Arbeit und Erfahrungen hinter sich gebracht haben, dürfen von den Jüngeren tatkräftige Hilfe für ihren Lebensabend erwarten.“

In der allgemeinen Resignation den Mühen gegenüber, wie sie der Umgang mit Alt- und oft auch Krankgewordenen nun einmal mit sich bringt, haben sich die 22 Männer und Frauen zur tätigen Verantwortung und Hilfe entschieden. „Wie oft schiebt eine Familie den pflegebedürftigen Großvater einfach ab ins nächste Heim“, beklagte Dr. Thoma die Interesselosigkeit der meisten Zeitgenossen. „Im Gegensatz zu vielen arbeitskräftesuchenden Instanzen, die ihre Werbung mit allen Mitteln betreiben und zumeist rosarot zu malen pflegen, sagen wir Ihnen deutlich, was Sie bei Ihrem Dienst an den Alten erwartet.“

Die „schönen Reden“, bei der morgendlichen Feierstunde, zu der sich unter Bürgermeister Franz Haas die Mitglieder vom Wohlfahrtsausschuß sowie Direktor Neuner vom Arbeitsamt und Verwaltungsrat Wilhelm Birkmann vom Landesarbeitsamt eingefunden hatten, wurden schon am Nachmittag vom harten Alltag abgelöst. Ein halbes Jahr lang werden die 22 „Schüler“ nach allen Regeln der Kunst ausgebildet. Zu ihren Unterrichtsstunden gehören Anatomie und Krankenpflege genauso wie Diätkunde, Sozialkunden und Altenpsychologie.

Die Altenpflegeschule wird von Stadtrat Hans Wagner, der zugleich die Verwaltung des Spitals in seiner Hand hat, und von Dr. Jansen geleitet. Beide haben sich unermüdlich dafür eingesetzt, daß Nürnberg als eine der ersten Gemeinden eine solche Schule aufbaut und die künftigen Pfleger auf ihre Aufgaben so sorgfältig und umfassend wie möglich vorbereitet werden.

Das soll auch äußerlich unterstrichen werden: die 22 tragen die Tracht einer Schwester oder eines Pflegers, werden als solche angeredet und bekommen einen Unterhaltszuschuß, der später in ein Gehalt nach der Vergütungsgruppe Kr. 1 der Krankenpflegetarifordnung umgewandelt wird. Nach dem halbjährigen Praktikum im „Wastl“ werden die Pfleger auf sechs Monate zur „Anerkennungszeit“ in ein anderes Heim der Stadt geschickt. Eine Prüfung beendet die Ausbildung. „Eines Tages wird Ihr Beruf hohe soziale Anerkennung haben“, machte Dr. Thoma den 22 Neulingen Mut.

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