5. September 1967: Griechisches Konsulat brannte

5.9.2017, 07:00 Uhr
5. September 1967: Griechisches Konsulat brannte

© Kammler

Während ein Löschzug der Wache Mitte zum Färberplatz unterwegs war, rasten die Männer der Wache Ost zur Königstraße. Dort gab es im ersten Stock in den vier Büroräumen des Konsulats nur noch wenig zu retten. Eine Feuersbrunst wütete in den Akten und zerstörte die Inneneinrichtungen. Nach 32 Minuten war das Feuer gelöscht. Der Sachschaden wird auf 60.000 DM geschätzt.

3.000 DM Schaden richtete das Feuer im Kiosk am Färberplatz an. Der Brandgeschädigte heißt Sokrates Z. und ist ein Angestellter im griechischen Konsulat. Er ist am Samstag für drei Wochen in Urlaub in seine Heimat gefahren.

Daß es gleichzeitig an zwei Orten brannte, dürfte kein Zufall gewesen sein. Die Feuerwehr fand das Gitter am Eingang des Kunstgewerbeladens geöffnet; der Verdacht auf Brandstiftung drängte sich auf.

Ganz anders war die Situation im griechischen Konsulat. Dort mußte Hausmeister Heinrich N., der im Dachgeschoß wohnt und durch beißenden Qualm geweckt wurde, mit dem Fahrstuhl ins Parterre fahren und der Feuerwehr das Scherengitter am Treppenhaus öffnen. Ein Stoßtrupp mit Rauchmasken stürmte dann in den ersten Stock und schlug die verschlossene schwere Eisentür des Konsulats ein.

Während dieser Trupp die Flammen von innen bekämpfte, richteten andere Feuerwehrleute zwei Löschrohre von Steigleitern aus durch die Fenster in die Büros. Dem raschen Eingreifen der Feuerwehr ist es zu verdanken, daß die Flammen nicht auf andere Räume des großen Geschäftshauses Königstraße 34 übergriffen.

5. September 1967: Griechisches Konsulat brannte

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Politisches Attentat, Racheakt oder Zufall? Diese Frage stellten sich die Brandexperten der Nürnberger Kriminalpolizei, die sofort ihre Ermittlungen aufnahmen. Am Nachmittag traf Dr. Schöntag, Brandsachverständiger des Bayrischen Landeskriminalamtes, aus München ein. Nach zweistündiger Spurensicherung im Konsulat erklärte er, ein Defekt an den elektrischen Leitungen scheide vermutlich aus. Man müsse nun mit der Kleinarbeit beginnen. Zu diesem Zweck hatte Dr. Schöntag Rußproben und andere Beweismittel sichergestellt. Der Verdacht, daß der Brand durch einen Zeitauslöser entstanden sei, lasse sich nicht von der Hand weisen. Man habe jedoch noch keine konkreten Hinweise gefunden.

5. September 1967: Griechisches Konsulat brannte

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Mit diesen vorläufigen Feststellungen mußte sich auch Assessor Alfred Gebauer der für den in Urlaub weilenden griechischen Honorarkonsul Dr. Gustav Schickedanz die Geschäfte wahrnimmt fürs erste zufriedengeben. Assessor Gebauer meinte: "Politische Motive hätte ich vor der heutigen Nacht nicht vermutet. Die Anti-König-Demonstrationen einer griechischen Gruppe waren in Nürnberg bisher völlig harmlos." Generalkonsul Filopoulos gab keinen Kommentar.

Konsulatssekretär Thanos B., der zusammen mit den beiden Angestellten Sokrates Z. und Vissarion Z. die Routinearbeit in Nürnberg erledigt, sagte, er sei am Samstag bis gegen 13 Uhr im Büro gewesen und habe seinen Landsmann Z. ein Paket für seine Schwester in Athen mitgegeben. Die Büroschlüssel hat Z. dann im Laufe des Nachmittags seinem Kollegen Zachares ausgehändigt, bevor er sich auf den 2.000 km langen Weg in die Heimat machte. Als letzte hat die Putzfrau das Konsulat am Samstag etwa um 16 Uhr verlassen. Um 0.30 Uhr am Montag war dem Hausmeister nichts Außergewöhnliches am Hause Königstraße 34 aufgefallen. Vier Stunden später brach das Feuer aus.

Thanos B. erklärte zu den beiden Bränden: "Dieser Zufall ist teuflisch, er ist ganz unwahrscheinlich." Auch er versichert, daß die Demonstrationen der Königsgegner in Nürnberg bisher harmlos gewesen seien. Verbrannt sind nach seinen Auskünften die Durchschläge des konsularischen Schriftwechsels, die Archivunterlagen und Auszüge aus dem Personenstandsregister. Die wichtigsten Unterlagen – Pässe, Gebührenmarken im Wert von 70.000 DM, Stempel und dazu Bargeld – waren in einem Panzerschrank verwahrt, den die Feuerwehr auf Geheiß von Thanos B. aufschweißte. Die dort eingeschlossenen Dokumente waren unversehrt und vollständig.

Konsulat seit 1961 in Nürnberg

Konsulatssekretär Thanos B. kann sich nicht erinnern, daß sein Mitarbeiter Zachos persönliche Feinde gehabt hätte. "Manchmal gibt es einen Wortwechsel, aber das kommt überall vor", meint er. Den Laden am Färberplatz, den sein griechischer Mitarbeiter betrieb, habe bis vor sechs Monaten dessen in die Heimat zurückgekehrter Bruder geführt. In den letzten Monaten sei das Geschäft geschlossen gewesen. Wer sich für die dort feilgebotenen griechischen Kunstgewerbeartikel interessiert habe, sei von einer Angestellten des nebenan gelegenen Autogeschäfts bedient worden, das ebenfalls einem Griechen gehört.

Diese Angestellte, Frau Franziska S., hat am Freitagabend den Kiosk auf Bitten von Sokrates Z. verschlossen. "Nachher war niemand mehr da." Z. habe ihr gesagt, er habe seine Schlüssel nicht bei sich. "Vielleicht sind sie ihm gestohlen worden, anders kann ich mir nicht erklären, daß der Kiosk offen war, als es brannte", meint Frau S. Z., von dem man noch nicht weiß, ob er gut in der Heimat angekommen ist, hat inzwischen Order bekommen, sofort zurückzukehren.

Das griechische Konsulat in Nürnberg besteht seit 1961. Es betreut rund 8.000 Gastarbeiter in Mittel- und Oberfranken und in der Oberpfalz. Ab heute Nachmittag wird es seine Arbeit in neu gemieteten Räumen in Fürth, Königswarterstraße 70, fortsetzen.

Die gegen die derzeitige griechische Regierung opponierende "Zentrumsunion“ hat gestern erklärt, der Brand in dem Konsulat sei eine „Provokation des griechischen Geheimdienstes" gewesen. Sie verurteilte den "Anschlag" aufs schärfste, weil er nur den "Interessen des Militärregimes diene, das dadurch seine Umtriebe in Deutschland verschleiern möchte". Man wolle die Sympathie der deutschen Bevölkerung und das Entgegenkommen der deutschen Behörden nicht "auf solch unsinnige Weise aufs Spiel setzen".

Dagegen sagte Konsulatssekretär B.: "Es wird soviel Unwahres geredet, zum Beispiel, daß jeder eine Glückwunschadresse an den König richten muß, bevor sein Paß verlängert wird. Das ist alles Unsinn."

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