6. April 1965: Frühling ist überall

6.4.2015, 07:00 Uhr
6. April 1965: Frühling ist überall

© Ulrich

Tausende von Großstädern – auch wenn sie mit der Natur nicht auf „Du“ stehen – konnten dies am Wochenende feststellen, als strahlender Sonnenschein und fast sommerliche Temperaturen ins „Grüne“ lockten. Noch trägt das „Grüne“ seinen Namen nicht ganz zu Recht, denn der Rückfall in Eis und Schnee vor einigen Wochen hat die Pflanzenwelt doch leicht aus dem Gleichgewicht gebracht. Deswegen rechnet Oberforstmeister Peter Link als Vorstand des Forstamtes Nürnberg Nord damit, daß erst in einigen Tagen alle Knospen aufgebrochen sind. Neben den Weidenkätzchen haben sich aber die Haselstauden und die Erlen an den Kalender gehalten und ihre Staubfäden zum offiziellen Frühlingsbeginn geöffnet. Etwas später kam dann der Seidelbast, eine der wenigen ganz unter Naturschutz stehenden Pflanzen, die sich im Reichswald noch findet.

Der Frühling bringt den Forstleuten jedoch nicht nur reine Freude wie den Spaziergängern, sondern auch sehr viel Arbeit. Allein vom Forstamt Nord müssen heuer über 750.000 Schößlinge von Kiefern, Fichten und auch von Laubhölzern angepflanzt werden. 30 Frauen, meist aus den Dörfern im Forstamtsbereich, haben bereits in der letzten Woche mit dieser Arbeit begonnen, um noch vor dem Juni und damit vor der heiß herabbrennenden Sommersonne fertig zu werden. Die älteste unter ihnen hat schon das 75. Lebensjahr vollendet. Viel zu wenig bekannt ist in der Öffentlichkeit eine Verfügung, nach der es strafbar ist, vom 1. März bis 31. Oktober in Wäldern, auf Moor- und Heideflächen zu rauchen, offenes Feuer und Licht mit sich zu führen und brennende oder glühende Gegenstände fallen zu lassen. Durch solche gedankenlosen Fahrlässigkeiten werden Jahr für Jahr oft gefährliche Waldbrände verursacht.

„Frühling ist überall“ Die Winterschläfer aufgewacht Ein Superkraftakt der Sonne im Frühling

Aber nicht nur in der Pflanzenwelt, auch in der Tierwelt läßt sich das „Frühlingserwachen“ genau verfolgen. In den Bienenstöcken herrscht hektisches Treiben. Die Bienenvölker haben ihren ersten Flug, den „Reinigungsflug“ unternommen, nachdem den ganzen Winter hindurch die Lebensfunktionen auf ein Minimum herabgesetzt waren. Ähnliche Winterschläfer sind auch die Dachse, Hamster, Frösche oder Molche. Allerdings könnte man sie ohne großen Schaden auch wachhalten, während ein gewaltsamer Verzicht auf den Winterschlaf für andere Tiere wie die Fledermäuse, Haselmäuse, Zauneidechsen oder Ringelnattern in jedem Falle den Tod bedeutet hätte.

Aber jetzt, im sogenannten Vor- und Erstfrühling, beginnt auch für sie das Leben wieder. Der sogenannte Vollfrühling dagegen, den die Baumblüte einleitet, wird auch heuer wieder bis Mitte Mai auf sich warten lassen. Das haben wenigstens die „Phänologen“ ausgerechnet, Wissenschaftler des Deutschen Wetterdienstes, die den biologischen Begleiterscheinungen des Frühlings mit mathematischer Genauigkeit nachspüren.

Dabei sind sie daraufgekommen, daß die Sonne im Frühling einen wahren Superkraftakt vollführt, ganz im Gegensatz zum Menschen, der gähnend die obligate Frühjahrsmüdigkeit zu überwinden sucht. So benötigte die Sonne, um nur hundert Quadratmeter einer 15 Zentimeter dicken Eisschicht auf dem Valznerweiherstraße aufzutauen, die gleiche Arbeitsenergie, die ein kräftiger Mann während eines Jahres aufbringt. Setzt man die tägliche Wärmeleistung der Frühlingssonne in Elektrizität um, dann müßten wir für jeden Frühlingstag eine Stromrechnung von 800 000 Millionen Mark bezahlen.

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