6. Dezember 1965: Die Kassen klingelten Sturm

6.12.2015, 07:00 Uhr
6. Dezember 1965: Die Kassen klingelten Sturm

© Kammler

Am meisten gefragt waren anspruchsvolle Waren. Trotz dieses Ansturms hielt sich der Verkehr in der Innenstadt noch in den Bahnen: die Kraftfahrer übten Disziplin; die Polizei behielt die Übersicht. Schon in den frühen Morgenstunden flutete in Nürnberg wie in allen Großstädten des Bundesgebietes der Verkehr aus allen Richtungen in die Geschäftszentren.

Selbst das ungastliche Wetter beeindruckte die Kauflustigen nicht. Die Verkehrspolizei war auf den Ansturm vorbereitet: an allen Brennpunkten erstickten sie – bewundernswert ruhig und gelassen – anbahnende Stauungen im Keim. So waren die Beamten nur gezwungen, das Königstor und das Kartäusertor vorübergehend zu sperren. Die meisten Kraftfahrer fügten sich den Anweisungen der Polizei: lediglich einige „Springer“ am Plärrer glaubten, durch ständiges Wechseln der Fahrbahnen schneller voranzukommen. Das Gegenteil sollte sie eines Besseren belehrt haben. Überraschend wenig waren die Straßenbahnen benutzt.

Kaum hatten sich die Tore der Kaufhäuser geöffnet, da wimmelte es in ihnen wie in einem Ameisenhaufen. Emsig begutachteten die Kunden das umfassende Warenangebot und – entschieden sich in den meisten Fällen für solide, preiswerte Geschenke. Was wird gekauft? Nun, praktisch alles. Naturgemäß steht das Spielzeug an erster Stelle. Angesichts des Regenwetters weniger rekordverdächtig: warme Winterbekleidung.

Als ausgesprochen angenehme Kunden bezeichnen viele Geschäftsleute die ausländischen Gastarbeiter. Sie legen ausnahmslos ihr Geld gut an und nehmen ganze Koffer mit Geschenken in ihre Heimat mit. Ein Beispiel: ein Ausländer kaufte sich einen riesigen Koffer, Damit ging er von Stand zu Stand. Socken, Hemden, Schuhe, Spielzeug usw. wanderten in das neue Reisegepäck, bis es prall gefüllt war.

Die Hauptstoßzeit am Vormittag lag zwischen zehn und elf Uhr. In den Mittagsstunden kamen die Hotel- und Gaststättenbesitzer auf ihre Kosten. Lieblingsgerichte waren zweifelsohne die berühmten Nürnberger Bratwürste. „Die sind wirklich gut“, meinte ein Aschaffenburger.

Gegen 13 Uhr trennten sich die Wege vieler Ehepaare. Vor allem Ehemänner aus der Umgebung Nürnbergs nutzten die Gelegenheit, sich einmal persönlich von der Form des Clubs zu überzeugen. Die Frauen suchten derweil ein Café auf oder besorgten ein Geschenk für ihr Ehegespons. Verliert der Christkindlesmarkt an Anziehungskraft oder war der Regen schuld? Gegenüber dem fast hektischen Treiben in der Innenstadt sah es zwischen den Budenreihen zeitweise recht still aus.

Gegen 17 Uhr rollte die Fahrzeugschlange wieder aus der Stadt. Das führte vor allem an der Peterskirche zu einigen heiklen Situationen, weil wiederum viele Autofahrer über die Regensburger Straße vom Clubspiel kamen. Trotzdem sollte schließlich der Verkehrspolizist recht behalten, der schon vor einer Woche prophezeit hatte: „Dös pack' mer scho!“ Wie in Nürnberg sind die Geschäftsleute auch in anderen deutschen Großstädten davon überzeugt, daß die Umsätze bei dem nächsten verkaufsoffenen Samstag kaum mehr überboten werden dürften.

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