6. Januar 1966: Warten auf den Handwerker

6.1.2016, 08:18 Uhr
6. Januar 1966: Warten auf den Handwerker

© Gerardi

Am Feiertag ist es nämlich noch schwerer als an den Werktagen, Schäden im Haus repariert zu bekommen. Von fünf Glasern war gestern beispielsweise nicht einer bereit, die zerbrochene Scheibe einer großen Balkontüre zu ersetzen, obwohl wir steinerweichend darum baten und die Temperatur von 12 Grad unter Null für sich sprach. Vier von fünf Hafnern verstanden dagegen sehr wohl, daß ein kaputter Ofen in dieser Jahreszeit sogleich ausgebessert werden muß, und wollten noch am gleichen Tag vorbeikommen.

Es wird oft darüber geklagt, daß man eher ein Kamel durch ein Nadelöhr als heutzutage einen Handwerker ins Haus bringt. Wir wollten herausfinden, wie es wirklich darum bestellt ist, und haben daher einmal die Probe aufs Exempel gemacht. Als Normalverbraucher, nicht als Zeitungsleute riefen wir jeweils fünf Vertreter von verschiedenen Handwerksberufen an und baten sie um Hilfe in dringenden Notfällen. Welche Antworten wir bekommen haben, schildert dieser Bericht.

„Jemand kommt vorbei“

Unser Anruf bei den Glasern: „Mein Kleiner hat die Balkontüre vor dem Wohnzimmer mit dem Hammer eingeschlagen. Können Sie mir die Glasscheibe baldmöglichst ersetzen, denn es zieht eisig kalt in den Raum?“ „Heute geht es nicht; alle sind auf der Baustelle. Geben Sie mir bitte die Maße durch, dann kommt morgen jemand vorbei!“ Das war die Auskunft der ersten Glaserei. Auf den schüchternen Einwand, daß morgen ja Feiertag sei, wurde gesagt: „Dann geht es eben erst übermorgen.“ Auf morgen wurden wir auch in den beiden nächsten Fällen vertröstet, denn eine Firma war wegen vieler reparaturbedürftiger Windschutzscheiben überlastet, bei der anderen „niemand da“. Beim vierten Telephonat wurden wir aufgefordert, einen Scherben der zerbrochenen Scheibe vorbeizubringen und die genauen Maße mitzuteilen.

Der bevorstehende Feiertag beeindruckte keinen der Betriebe. Sie ermunterten alle zur Geduld bis Freitag. Nur beim fünften Anruf ließ ein ebenfalls überlasteter Glaser („Wir haben bei der Kälte so viele Reparaturen, daß noch die ganze Woche draufgeht“) ein Einsehen erkennen. Er verwies uns zwar zunächst an einen Kollegen, fügte diesem guten Rat jedoch hinzu: „Aber wenn's gar niemand finden, dann rufen S' halt gegen Abend nochmal an.“

Hilfeschrei an die Hafner: „Mein Ölofen ist kaputt. Obwohl der Tank voll ist, brennt er nicht. Können Sie noch heute jemanden vorbeischicken?“ „Sie sind zwar nicht Kunde bei mir, aber dies ist ein besonderer Notfall“, ließ sich der erste Hafnermeister vernehmen. „Heute um 16.30 Uhr ist jemand bei Ihnen!“ Sogar noch eine halbe Stunde früher wollte ein anderer Handwerker aufkreuzen, „weil morgen ein Feiertag ist und Sie bei der Kälte nicht im ungeheizten Zimmer sitzen können“.

Die beiden nächsten Betriebe versprechen dem unbekannten Anrufer, daß noch am selben Abend die Reparatur erledigt werden soll, obwohl ihre Leute auch bis über die Ohren in Arbeit stecken. Ausgerechnet von jenem Geschäft, in dem unser telephonierender Kollege erst kürzlich einen Ofen gekauft hat, bekommen wir eine Abfuhr. „Alle unsere Monteure sind unterwegs; vor Montag ist überhaupt nichts zu machen!“ Erst nach dem Einwand, man habe doch erst vor einiger Zeit den Ofen bei der Firma erworben, kommt zögernd die vage Zusage: „Also vielleicht klappt es am Freitag noch – versprechen können wir nichts.“

Die Bitte an die Elektriker: „Bei mir brennen laufend die Sicherungen durch, ganz gleich, ob ich das Licht, das Fernsehgerät oder die Waschmaschine einschalte. Kommen Sie bitte schnellstens zu mir.“ „Ich sage Ihnen gleich, daß vor Montag nächster Woche nichts zu machen ist. Die Feiertage und die Arbeitsüberlastung – es geht beim besten Willen nicht“, diese Antwort bekamen wir von zwei Elektrikern zu hören. Nach einigen Tagen wollte uns ein dritter vielleicht „mit reinnehmen“ (er hat acht Neubauten), doch verwies er uns ebenso wie ein weiterer Kollege zunächst auf ein anderes Geschäft. Nur ein einziger stellte sein Kommen für Freitag in Aussicht, „wenn es arg pressiert“.

Die Fernsehtechniker hörten: „An meinem Fernsehgerät ist das Bild ausgefallen, der Ton ist jedoch da. Wann kommen Sie zum Reparieren?“ Keiner der fünf Mechaniker oder Techniker, die ihre schnellen Dienste in Zeitungsanzeigen anpreisen, mochte uns durch die Röhre schauen sehen. Sie alle erboten sich, noch im Laufe des Tages, sogar am späten Abend zu erscheinen. „Wir arbeiten bis 21 oder 22 Uhr, bitte gedulden Sie sich bis dahin“, wurde bei den ersten zwei Anrufen von eilfertigen Männern gesagt. „Gerade weil morgen Feiertag ist, versuchen wir den Schaden heute noch zu beheben. Sie möchten doch schließlich morgen das Programm sehen“, lautete die erfreuliche Zusage der beiden nächsten Techniker. Ebenfalls für denselben Tag stellte der fünfte und letzte Service die Reparatur in Aussicht, wenn dazu keine besonderen Ersatzteile benötigt werden.

„Heute nicht mehr“

Der Alarm bei Flaschnern: „Mein Wasserhahn läuft und läuft, aber ich kann den Haupthahn nicht abstellen, weil meine Wirtin verreist ist. Helfen Sie mir!“ Dieser Notruf eines hochwassergefährdeten Junggesellen erging an die Flaschner. „Heute nicht mehr!“ mußte er sich bei den ersten zwei Telephonaten sagen lassen. Mehr Herz für den Verzweifelten zeigte ein anderer Handwerker dieses Berufsstandes, der in einer halben Stunde an Ort und Stelle zu sein versprach. „Hoffentlich halten Sie es noch solange aus“, meinte er wie jener Meister, der noch ein Bad reparieren und dann lossausen wollte. Vier Stunden lang hingegen sollten verstreichen, ehe der letzte der fünf Flaschner in der überschwemmten Wohnung auftaucht. Das Problem für die Schlosser: „Meine Wohnungstür steht offen, denn das Zylinderschloß ist in die Brüche gegangen. Ich will zum verlängerten Wochenende in den Skiurlaub fahren, kann jedoch das Haus nicht abschließen.“

Zehnmal klingelt das Telephon beim ersten Schlosser, aber am anderen Ende der Leitung nimmt niemand den Hörer ab. „Heut können wir das nicht mehr machen, vielleicht finden Sie mit ein wenig Glück eine andere Schlosserei“, muß sich der sorgengeplagte Mann sagen lassen, dem die Zeit auf den Nägeln brennt. Auf die Frage, wer ihn denn empfohlen habe, und die wahrheitsgemäße Antwort „Das Telephonbuch“, verheißt der dritte Meister sein baldiges Kommen.

Ein Stein fällt dem Gequälten vom Herzen. Er könnte sich freuen, doch wegen der Rundfrage muß er auch noch einen fünften Betrieb anklingeln. Dort hätte er nicht annähernd so viel Glück gehabt, wie er gleich erfährt. „Heut geht’s wirklich nicht mehr, denn wir müssen nebenher Inventur machen und schriftlichen Kram aufarbeiten. Und morgen ist schon wieder Feiertag. Man kommt überhaupt nicht mehr zum Arbeiten“, klagt der Meister und läßt den Anrufer allein, der inzwischen schon von der Vorstellung geplagt sein könnte, Diebe schleppten eben die Waschmaschine davon.

Heute ist dieser Feiertag, an dem alle ihre Ruhe haben wollen. Hoffentlich zerbricht bei Ihnen daheim keine Fensterscheibe, denn Scherben bringen – wie gesagt – nicht immer Glück.

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