6. Mai 1965: Viele warten auf eine Wohnung

6.5.2015, 07:00 Uhr
6. Mai 1965: Viele warten auf eine Wohnung

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Obwohl das Jahr 1964 mit dem 100.000 neuen Heim nach dem Kriege ein stolzes Jubiläum brachte, hat die Stadt große Sorgen. Vor allem sieht sie mit einigem Bangen dem Tag entgegen, an dem sie zum „weißen Kreis“ ernannt wird, also die Zwangsbewirtschaftung von Wohnraum entfällt. Die verantwortlichen Männer im Rathaus erwarten freilich, daß Bauherrn und Handwerker auch künftig die Hände nicht in den Schoß legen und so eifrig wie bisher zu Werke gehen.

6. Mai 1965: Viele warten auf eine Wohnung

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„Keine Generation mußte eine so große Last auf sich nehmen wie die Bürger unserer Zeit“, sagte Sozialreferent Dr. Max Thoma in seinem Bericht über das Baugeschehen vor dem Stadtrat. Daß sie in knapp 15 Jahren 100.000 Wohnungen aus dem Boden gestampft hat, betrachtet er als ein hoffnungsvolles Zeichen für die großen Aufgaben, die noch zu bewältigen sind. Aus der „gewaltigsten Gemeinschaftsleistung der Bürgerschaft“ in der 900jährigen wechselvollen Geschichte Nürnbergs wird die Zuversicht gewonnen, daß „wir in einigen Jahren der Wohnungsnot Herr werden können“, wie Oberbürgermeister Dr. Urschlechter meinte.

Es war ein wenig Glück im Spiel, daß im vergangenen Jahr 5.027 Wohnungen in 1.169 Gebäuden fertig geworden sind. Das sind 740 oder 17,2 v. H. mehr als 1963; im Bundesdurchschnitt stieg dagegen der Wohnungsbau nur um knapp 10 v. H. an. Nürnberg schnitt so günstig ab, weil es einen hohen Bauüberhang (5.522 Wohnungen) zum Jahresanfang hatte, das Wetter außerordentlich günstig war und bei verschiedenen Projekten die Bauzeit durch moderne Maschinen und auch den Einsatz von ausländischen Kräften wesentlich verkürzt werden konnte.

Die Aussichten für dieses Jahr sind nicht ganz so rosig. Es wird vor allem erwartet, daß der freifinanzierte Wohnungsbau erneut zurückgeht, weil offensichtlich vielen Bauwilligen die Preise für Grundstücke und auch die Ausführung zu hoch erscheinen. Die größten Hoffnungen werden noch in den neuen Stadtteil Langwasser gesetzt.

Bald "weißer Kreis"

Die öffentlich geförderten Wohnungen werden, wie die Statistik ausweist, immer größer und damit familiengerechter. Bei den 5-Zimmer-Wohnungen ist der Anteil von 9,8 v. H. im Jahre 1963 auf 13,5 v. H. im letzten Jahr angewachsen. Im Durchschnitt war die geförderte Wohnung 70,20 qm (1963: 68,30 qm; 1962: 66,54 qm) groß.

Gleichzeitig mit den Wünschen der Familien an ihr Heim steigen jedoch auch die Mieten. Während es 1962 im öffentlich geförderten Wohnungsbau überhaupt noch keine Mieten zwischen 2,31 und 2,50 Mark gab, liegt ihr Anteil heute schon bei 32,1 v. H.

Als Gründe dafür nannte Dr. Thoma höhere Preise auf dem Grundstücksmarkt und im Baugewerbe, dazu auch noch bessere Ausstattungen. „Es ist leider nicht damit zu rechnen, daß 1965 die Mietpreis-Entwicklung zum Stillstand kommt“, meinte der Referent. Die Lage bleibt schon deswegen angespannt, weil noch immer 15.235 Wohnungen fehlen.

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