6. November 1965: Die „blaue“ Kompanie

6.11.2015, 07:00 Uhr
6. November 1965: Die „blaue“ Kompanie

© Launer

Leutnant Wolfgang Wenning hatte den Tagesbefehl gegeben: „Wir schießen solange, bis jeder mindestens eine 70prozentige Treffsicherheit erreicht hat, und wenn es dabei Mitternacht wird!“ Nun, so hart sind bei der Instandsetzungs-Ausbildungskompanie, die im November 1964 in Nürnberg aufgestellt wurde, die Sitten im allgemeinen nicht. Ihre Aufgabe ist es, Soldaten nach ihrem dreimonatigen Grunddienst an Rad- und Kettenfahrzeugen der Bundeswehr auszubilden.

Die Soldaten kommen zu 90 v. H. aus metallverarbeitenden Berufen. Nach dem Lehrgang auf dem Gebiet der Panzer- und Radfahrzeuge sowie der elektrischen Anlagen werden sie, ihrer Ausbildung entsprechend, bei einem Korps eingesetzt. Die „blaue“ Kompanie ist mit einer Lehrwerkstatt im zivilen Leben zu vergleichen. Die Teilnehmer werden infanteristisch nicht ausgebildet. Das gestrige Schießen war deshalb nur für das Stammpersonal angesetzt. Ziel waren zwei Attrappen; auf Leinwand hatte man Panzer gemalt. Die Soldaten schossen lediglich mit einer eigens für solche Zwecke entwickelten Übungsmunition, die hinterher wieder eingesammelt wurde.

Zunächst feuerte jeder Soldat aus 50 Meter Entfernung je drei Gewehrgranaten ab. Dieses Geschoß kann ohne große Vorbereitung gegen Panzer, Bunker und ausgebaute Stellungen eingesetzt werden. Es durchschlägt 27 Zentimeter dicke Stahlplatte und 70 Zentimeter dicken Beton.

Erheblich größere Sicherheitsvorkehrungen erforderte die Übung mit der leichten Panzerfaust. Die Sicherheitsoffiziere, mit Bändern um den Stahlhelm gekennzeichnet, achteten streng darauf, daß sich niemand hinter dem Schützen aufhielt. „Jeder Leichtsinn könnte hier mit dem Leben bezahlt werden!“, betonten die Hauptleute Johannes Telle und Johannes Lission. Aus rund 150 Meter – die günstigste Wirkung wird bei einer Entfernung von 200 Meter erzielt – visierten die Soldaten die Attrappen an. Sie machten dieses Mal auch mit dem Erdboden Bekanntschaft – bei fünf Grad über Null bestimmt kein reines Vergnügen.

Die Wirkung der Panzerfaust ist geradezu unfaßbar. Das Geschoß schweißt sich durch über 30 Zentimeter dicke Stahlplatten und entwickelt dabei eine so enorme Hitze, daß alles Leben im Panzer vernichtet wird. Kommentierten alle Beteiligten: „Hoffentlich werden wir nie gezwungen, diese schreckliche Waffe anzuwenden!“

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